Als der Tag begann
war beliebt bei den Lehrern. Ich war so glücklich, sie hier zu haben. Dieser Nachmittag war ein wichtiger Tag für uns, und Sam hatte sich angemessen gekleidet: Ihr langer Rock war ziemlich ramponiert, und sie trug dazu ein blaues Männerhemd, eine Krawatte mit Nadelstreifen und Springerstiefel.
»Aber das Boxerding ist cool«, räumte sie ein, zuckte mit den Achseln und ließ eine Kaugummiblase platzen. Sie lehnte sich vor und malte dem HIV-Boxer ein blaues Auge. »Vergesst den Idioten«,
sagte sie und vertiefte den Farbton noch, »der sollte k. o. geschlagen werden.«
»Einverstanden«, sagte ich feixend. »Gute Idee.« Ich ließ mich auf die Knie nieder und verpasste dem Großmaul eine aufgeplatzte Lippe. »Wir lassen ihn richtig scheiße aussehen.« Seite an Seite brachten wir unser Schaubild gemeinsam zu Ende.
Dann mussten wir einen Vortrag halten. Eine kleine Gruppe wartete bereits im Prep Central auf uns. Unsere Vorgabe lautete, in unseren Mitschülern anhand unseres gewählten Kampfmotivs das Bewusstsein für Aids wachzurufen. Das Ringen der Zellen zwischen HIV und Aids und dem Immunsystem sollte von diesem Blatt Papier aus mit visueller Kraft direkt als Präventionsmaßnahme im Kopf der anderen Fuß fassen. Bobby, Josh und Fief waren auch darunter, als Prep -Schüler, und zwar ebenfalls wie Sam in ihrem zweiten Semester. Ich hatte nur ein paar Wochen gebraucht, um zu begreifen, wie einladend das Umfeld hier war, und um zu spüren, wie viel Sicherheit und Vertrauen diese Lehrer verkörperten. Doch sobald ich mir ganz sicher war, wie anders diese Highschool funktionierte, erzählte ich meinen Freunden davon und ermutigte sie, sich zu bewerben. Sie wurden angenommen, und jetzt waren einige aus dem Pulk hier eingeschrieben. Sam, Bobby und ich hatten sogar ein paar Kurse zusammen.
Manchmal war es aber auch ganz schön schwierig, meine Freunde an der Prep zu haben. Mehr als einmal wollten ein paar von ihnen Schule schwänzen, und sie drängten mich mitzumachen. Es war so verlockend, wie sie da im Eingang die Köpfe zusammensteckten und nach draußen abhauten, hinaus in das geschäftige Treiben Manhattans. Ich wollte auch abhängen wie in alten Zeiten. Und es konnte in den Schulräumen so langweilig sein, verglichen mit dem Spaß, den sie auf ihren Spaziergängen durch Greenwich Village und Chelsea ganz sicher haben würden, bei heimlichen Kinobesuchen oder im Park. Außerdem wollte ich nicht die Zicke in unserer Gruppe sein, seriös und stets die Regeln der Schule befolgend. In manchen Augenblicken war es wirklich
schwer, nicht auch dem Unterricht fernzubleiben. Aber dann dachte ich an mein Zeugnis, die sorgfältig geschriebene Kolumne mit lauter Bestnoten, die ich mit einem blauen Stift in dieser Nacht damals auf dem Treppenabsatz ausgefüllt hatte, und ich rief mir die Läuferin auf der Rennbahn ins Gedächtnis, die ihre Hürden nahm und eine gute Note nach der anderen abhakte. Die Auszeichnungen summierten sich, und ich fühlte, dass ich genau das Richtige tat: Niemand außer mir selbst würde mich aufs College bringen.
Trotzdem waren meine Freunde an der Prep meine Familie, und sie bedeuteten mir alles; durch sie fühlte sich die Schule wie mein Zuhause an. Es erinnerte mich an die Sitcom Cheers , die Daddy und ich uns oft spätnachts gemeinsam auf dem Sofa angesehen hatten, und daran, wie, sobald der Stammgast der Bar namens Norm ins Bild kam, alle unisono seinen Namen riefen. Als Kind verstand ich die Witze nicht, aber ich konnte mit dem Zusammengehörigkeitsgefühl, das alle Figuren miteinander teilten, sehr wohl etwas anfangen, und ich sehnte mich danach, es am eigenen Leib zu erleben und einen Ort zu finden, wo ich hingehörte. Vor der Prep , und vor allem, bevor meine Freunde an die Highschool kamen, war ich nie an einen Ort gekommen, an dem alle sich beim Namen kannten, einen Ort, an dem alle willkommen waren und gemeinsam auf ihre Ziele hinarbeiteten. Und jetzt waren wir hier und wirkten daran mit, unser Leben zu verbessern. Das hier bedeutete alles für mich.
»Los geht’s, Leute, ich glaube, die sind jetzt reif für uns«, sagte Eva und hielt eins der Schaubilder in die Höhe. Die von ihr gezeichneten Figuren stellten ein besorgtes Paar da, das auf der Bettkante saß, in Sorge deshalb, weil es sich nicht daran erinnern konnte, ob es in einer durchzechten Nacht mit verantwortungslosem Sex ein Kondom benutzt hatte oder nicht. Eva hatte dem Mädchen Lippen wie nach einem Bienenstich verpasst,
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