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Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Titel: Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Siemon
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könnte er mir leider nicht erfüllen, nachdem er nicht gerade gute Erfahrungen mit seinem Patenkind August gemacht habe. Trotzdem versuchte ich alles und immer wieder voller Hoffnung.
    Dieser Gutschein war nun eingelöst, ich war zwar um eine bittere Erfahrung reicher, aber es war für mich noch nicht der richtige Zeitpunkt für eine Entscheidung. Es musste erst noch mehr passieren.
    Im Herbst, als die Saison zu Ende war und ich, wie erwartet, den Winter über privat im Hotel blieb, hatte August sich entschlossen, in Gießen Fuß zu fassen. Für einige Tage war er dorthin gefahren, zu jener Familie, bei der er während seines Studiums gewohnt hatte. Nora und Maximilian Kessler wollten sich für August in Gießen einsetzen. Noras Mutter, inzwischen eine alte Dame, bot August an, sein früheres Zimmer wieder zu bewohnen. Frau König bewohnte mit Tochter Nora, deren Mann Maximilian Kessler und den beiden Kindern eine 5-Zimmer-Etagenwohnung. Die ältere Tochter, Valerie Schröder, bewohnte eines der Zimmer. Sie wurde vor dem Krieg von ihrem Mann geschieden, jetzt arbeitete sie als Sekretärin bei einer Behörde.
    Um eine Wohnung zu bekommen, musste man dem Wohnungsamt die Situation darstellen, dann wurde nach Dringlichkeit entschieden, wer das Zimmer oder die Wohnung bekam. Das Zimmer, das August vor dem Krieg bewohnt hatte und nun wieder beziehen konnte, lag außerhalb der abgeschlossenen Etagenwohnung. Ein separates Reich also, sehr geräumig, so jedenfalls beschrieb es mir August.
    Ganz unverhofft besuchte mich Vater an meinem Arbeitsplatz. Er war etwas enttäuscht, als er vernahm, dass ich an einem Hotelkochherd stehe, versöhnte sich aber damit, als ich ihm erklärte, was ich für die Zukunft plante. Er war aus dem Lager entlassen worden, als Zeugen bestätigten, dass er für die Fremdarbeiter im Betrieb immer für genügend Essen und Schlaf gesorgt und ihnen keinerlei Gewalt angetan hatte.
    Er war sehr gealtert, ganz grau sein Haar, aber seine Augen strahlten, als er mich wiedersah. Sein Plan war, meine Mutter auch zu begrüßen, dann wollte er wieder zurück nach Hamburg. Er arbeitete wieder in seiner alten Firma als Pyrotechniker und war, wie es schien, rundum zufrieden.
    Auf Augusts Wunsch fuhr ich über die Weihnachtsfeiertage zu ihm nach Gießen. Er war Mitte Dezember umgesiedelt, um Anfang Januar, wie er meinte, neu zu beginnen. Es sollte auch ein Neuanfang werden für ein gemeinsames Leben. August schlug vor, dass ich nun so nach und nach alles, was ich an Aussteuer besaß, per Bahn oder Spedition nach Gießen schicken sollte. Bei meinem Besuch an den Feiertagen wurde ich sehr freundlich aufgenommen. Auch die alte Dame, Frau König, versprach mir, alles zu tun, damit ich mich in Gießen wohlfühlte.
    Das Zimmer war sehr groß und hell, darin gab es eine kleine Gas-Kochnische, ein sehr breites Bett und einen Kleiderschrank. Bei mir zu Hause hatte ich eine Anrichte für mein Porzellan und Besteck und einen runden Tisch mit zwei sehr schönen Sesseln. Dies alles würde mit einer Spedition einschließlich der großen Truhe, gefüllt mit Bettwäsche und Handtüchern, nach Gießen transportiert. Nun konnte ich mir in Gedanken schon einmal unser kleines Heim vorstellen und einrichten.
    Bis April 1951 blieb ich dem Hotel treu. Für die kommende Saison musste rasch ein Ersatz gefunden werden. Nun war es endgültig, dass ich von meinen Arbeitskollegen Abschied nahm. Plötzlich hatte ich Angst, aber wovor? Ich konnte es mir nicht erklären, vielleicht davor, dass ich von meinen Großeltern wieder Abschied nehmen musste? Von Mutter und den übrigen Angehörigen? Jetzt konnte ich noch, wenn ich das Bedürfnis hatte, mal schnell überall einen Besuch machen. Dann aber redete ich mir ein, dass in Gießen bestimmt alles schön würde. Ich wollte mir eine Arbeit suchen, nette Freunde gewinnen, was sollte ich denn tagsüber nur herumsitzen. Diese Gedanken machten mir wieder Mut und hoben meine traurige Stimmung.
    Am Samstag vor Pfingsten kam August, um mich als seine Verlobte abzuholen. Eine kleine Verlobungsfeier mit meinen Angehörigen war auch gleichzeitig ein Abschied. Kurt nahm mich in den Arm, was selten geschah, und flüsterte mir ins Ohr.
    »Wenn es in Gießen nicht so klappt, wie du es dir vorgestellt hast und wie du es dir wünschst, dann komm wieder nach Hause, Mutter und ich sind immer für dich da.«
    Meine Sachen waren ausgepackt, das Zimmer machte einen recht gemütlichen Eindruck, ich fühlte mich zu Hause.

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