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Als könnt' ich fliegen

Als könnt' ich fliegen

Titel: Als könnt' ich fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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Ausdruck.
    »Tu ich doch«, sagte ich. »Gegen dich hab ich nichts. Echt nicht.« Das war der bislang vertrauteste Augenblick zwischen uns.
    »Aber gegen Ilka?« Sie griff nach jedem Strohhalm.
    »Sagen wir so: Sie kann mich nicht ausstehen, und ich liebe sie ebenfalls nicht gerade. Okay?«
    Das musste genügen. Dieses Mal ließ ich mich nicht zurückhalten.
    »Das stimmt nicht«, behauptete sie.
    »Doch«, sagte ich. »Ich mag sie wirklich nicht. Tut mir leid, wenn du etwas anderes erwartet hast.«
    Sie lächelte ein wenig.
    »Ilka kann dich ausstehen«, sagte sie dann. »Ich glaube, sogar ganz gut.«
    »Dann kann sie es aber hervorragend verbergen«, antwortete ich. »Ich muss jetzt wirklich los. Zur zweiten Stunde zu spät zu kommen ist schon ein bisschen peinlich.«
    Mit diesen Worten verschwand ich aus der Küche, ließ Marlies allein vor ihren beiden trockenen Brötchenhälften sitzen.
    Plötzlich tat sie mir leid. Als ich meine Sachen geholt hatte, wartete sie im Flur auf mich.
    »Ich hab hier noch was«, sagte sie mit einem leichten Grinsen. Sie hielt mir eine Tablette hin und ein Glas Wasser. »Gegen die Kopfschmerzen.« Ich schluckte die Tablette und leerte das Glas bis auf den letzten Tropfen. »Ilka sucht überall nach Anerkennung«, sagte sie. »Auch bei dir.«
    Ich fragte mich, wie eine halbwegs intelligente Frau solchen Schwachsinn von sich geben konnte. Draußen sah es zum ersten Mal seit Wochen nach Regen aus. Auch die Luft roch schon ein bisschen nach Herbst.
    In der Schule hatten Milena, Björn und ich ein Dreieck des Schweigens gebildet. Das gab mir das Gefühl, ein mehr oder weniger sinnloses Dasein zu fristen. Aber während mir klar war, dass ich die Sache mit Milena nicht ändern konnte, schien es mir doch, dass ich bei Björn etwas ausrichten konnte. Deshalb schickte ich ihm am Nachmittag eine SMS . Darin versprach ich, mich Dennis gegenüber zum Verlierer der Wette zu erklären. Keine Viertelstunde später stand Björn vor mir. »Ruf ihn an«, forderte er ohne jeden Funken Humor. »Jetzt sofort. Du hast seine Visitenkarte.«
    Das stimmte. Aber was ich nicht hatte, war der geringste Funken Lust, bei diesem Idioten anzurufen. Björns Mimik jedoch ließ mir keinen Ausweg. Ich durchsuchte meine Taschen. Schließlich hielt ich die Karte in Händen.
    »Reicht eine SMS ?«, fragte ich ohne Hoffnung auf Gnade.
    »Ich will es hören «, beharrte Björn. Wie vermutet.
    Ich wählte die Nummer.
    »Ich nehme die Wette zurück«, sagte ich ins Handy, nachdem Dennis sich gemeldet und ich meinen Namen genannt hatte.
    »Immer mit der Ruhe«, sagte er. »Noch hast du Zeit.« Seine Stimme klang hohl.
    »Ich ziehe zurück. Du kannst die Platte behalten.«
    »Wenn du willst«, schlug er vor, »kann ich die Frist auch verlängern. Sagen wir, um achtundvierzig Stunden?«
    Ich hatte keine Erklärung dafür, aber es schien mir, dass seine Stimme panisch klang.
    »Ich will nicht mehr«, wiederholte ich trocken. »Auch in hundert Jahren nicht.«
    Ohne eine weitere Reaktion abzuwarten, beendete ich per Knopfdruck das Gespräch.
    »Zufrieden?«, fragte ich in Björns Richtung.
    »Ist okay.« Begeistert klang er nicht. Er brauchte noch ein paar Minuten. »Milena hat mich in der Schule angesprochen«, sagte er dann.
    Mein Adrenalinspiegel schnellte sofort in die Höhe. »Und?«
    »Sie wollte wissen, was los ist mit dir.«
    »Mit mir ?« Meine Empörung war aufrichtig. »Wenn das ein Scherz sein soll, ist er echt beschissen.«
    »Kein Scherz«, erklärte Björn. »Ich bin sicher, dass sie geweint hatte. Kannst du dir vorstellen, warum?«
    Die Frage war hinterlistig.
    »Warum hast du gesagt, du wärst krank?« Ich fand, hier halfen nur noch direkte Fragen.
    Milena und ich saßen auf der Bank beim großen Springbrunnen.
    Gleich nach dem Gespräch mit Björn hatte ich bei ihr angerufen. Die Sonne schien noch, obwohl der Nachmittag sich langsam seinem Ende entgegenneigte. Die Regenwolken hatten sich verzogen.
    »Es ging mir wirklich nicht gut.«
    »Aber du warst nicht krank.«
    Sie schüttelte den Kopf, sah mich nicht an. Sie wollte etwas sagen, aber es schien nicht zu gehen.
    »Ist es wegen deines Beins?«, fragte ich leise.
    Sie nickte, sah mich noch immer nicht an, während eine Träne über ihr Gesicht kullerte.
    Ich legte meinen Arm um ihre Schulter.
    »Ich verstehe das nicht«, sagte ich. »Du weißt, wie sehr ich dich mag.«
    »Wirklich?« Ich fing eine zweite Träne mit meinem kleinen Finger auf. Dann küsste ich sie.

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