Alte Narben - [Kriminalroman aus der Eifel]
nach Deutschland geflossen sind, wurde uns klar, dass diese mit Hilfsgeldern gefütterten Fonds für Projekte in Deutschland benötigt wurden und nicht wie ursprünglich angenommen in den USA.«
»Momentchen«, grübelte Paul. »Das bedeutet also, dass Deutschland an diese Jewish Dingsbums Organisation Geld zahlt, welches den Verfolgten des Nazi-Regimes als Entschädigung zukommen soll, und mit diesem Geld werden Häuser für Altnazis gekauft, damit die einen schönen Lebensabend in ihrer Heimat genießen können?«
»Mehr als das«, fuhr Lisa fort. »So schwierig ist das alles in Deutschland nun wirklich nicht. Hast du beispielsweise noch nie von dem Streit gehört, der hier losging, als man erfuhr, wie hoch die Rente war, die die Witwe Roland Freislers über Jahrzehnte erhielt?«
Paul winkte ab. »Komm, hör auf mit dem Scheiß. Mir wird schlecht davon. Jetzt sag mir: Was hat der Kratz damit zu tun?«
»Jakob Kratz ging nach dem Krieg in die USA und hat der OSI gute Dienste bei der Verfolgung dort tätiger Altnazis geleistet. Als wir eine Spur bis nach hier verfolgen konnten, hat er sich bereit erklärt, in seine Heimat zurückzukehren. Er kannte Wilhelm Floto persönlich, dieser war einer der begünstigten Nazis.«
»Und der ist jetzt tot«, meinte Paul. »Was macht ihr jetzt noch hier?«
»Wir suchen nach den Komplizen des alten Floto. Und nach den Managern, die das Geld hier verwalten. Wir wollen vor allem die Verbindungsleute zu den amerikanischen Neonazis.«
»Und ich suche Flotos Mörder«, meinte Paul. »Ich will nicht hoffen, dass diese Ermittlungen gegeneinander gerichtet sind.«
»Glaubst du, ich würde einen Mörder schützen, wenn ich ihn ausfindig machen könnte?«
»Ich glaube, du würdest so ziemlich alles tun, um deinen Job erfolgreich zu erledigen.«
»Du bist ziemlich argwöhnisch, mein lieber Paul«, sagte Lisa und lächelte ihn an. »Aber du willst ja leider gar nicht, dass ich alles tue.«
Paul atmete tief durch. Er beschloss, darauf nichts zu erwidern. Dieser Fall war brisant genug, fand er.
36. Kapitel
Lorenz blieb für einen kurzen Moment auf dem Bürgersteig stehen und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
»Was ist los, Opa Bertold?«, fragte Jessica.
»Nichts Außergewöhnliches, mein Engelchen«, antwortete Lorenz und steckte sein Tuch ein. »Ich habe heute einen weniger starken Tag erwischt, und die Straße ist ziemlich steil. Deine jungen Beine spüren das vermutlich gar nicht.«
Dann setzte er sich wieder in Bewegung. Lorenz schaute auf die Hausnummern. Bald hatten sie die gesuchte Adresse erreicht. Jessica klingelte. Während sie warteten, meinte Lorenz: »Herr Brandenburg ist ein ehemaliger Lehrer und weiß sehr viel über die Geschichte der Gegend. Du kannst ihn fragen, was immer du willst.«
»Klar«, antwortete Jessica. »Mache ich doch immer.«
Die Tür öffnete sich, und Franz-Josef Brandenburg begrüßte die Besucher: »Guten Tag, Herr Bertold. Und du bist Jessica?«
Das Mädchen reichte ihm die Hand. »Bin ich. Guten Tag.«
Sie traten ein. Brandenburg wies ihnen den Weg in sein Wohnzimmer, wo sie sich in ein gemütliches Sofa fallen ließen.
»So, wie kann ich euch helfen? Ihr sucht etwas zu der Geschichte der Juden von Nideggen?«
»So ist es«, sagte Lorenz. »Diese junge Dame hier möchte einen Aufsatz über das Thema schreiben, und ich interessiere mich auch dafür.«
»Tja, da kann ich jetzt viel erzählen«, sagte Brandenburg. »Ich habe schon öfter Schulgruppen zu diesen Themen angeleitet. Vielleicht erst einmal so das Wichtigste in wenigen Sätzen: Vor dem Beginn der Verfolgung der Juden durch die Nazis gab es hier in Nideggen einige jüdische Familien, die gut angesehen und ganz in die Gemeinschaft integriert waren. Da gab es Metzger, Viehhändler oder auch Gastwirte. In Nideggen selbst gab es zwar keine Synagoge, die Nideggener Juden gehörten genauso wie die Kreuzauer zur Synagogengemeinde Drove, auf dem dortigen Friedhof begruben die Nideggener Juden auch ihre Toten. Auch in Embken gab es eine Synagoge, ebenso in anderen Orten der Umgebung. Einige Juden flüchteten in den Dreißigerjahren, als es mit den Verfolgungen immer schlimmer wurde, vor allem nach der Pogromnacht 1938. Weißt du etwas darüber, Jessica?«
»Oh ja«, antwortete das Mädchen. »Das nannte man auch die Kristallnacht, heute nennen wir das nicht mehr so, weil es sich hübscher anhört, als es war. Man hat die Synagogen zerstört und auch Juden getötet.«
»Leider
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