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Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde

Titel: Alteuropa-Trilogie 1 - Im Jahr der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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Standbild der Göttin wird das größte sein, das wir jemals aufzustellen versucht haben«, sagte Gorriska. Er war ein kräftiger junger Mann mit rötlich schimmerndem Haar und Händen so breit wie Axtschneiden. Ama hatte ihm die ehrenvolle Aufgabe erteilt, die Gruppe der Steinträger aus Xori zu führen, was bedeutete, daß er sowohl stolz als auch besorgt war, denn obwohl es eine tolle Sache war, die ersten Strophen des Arbeitsliedes zu singen, bestand immer das Risiko, daß der Anführer falsch sang oder den Rhythmus nicht einhielt, und dann konnte es passieren, daß die Arbeiter ins Stocken gerieten und das Standbild der Göttin aus den Seilen rutschte und zu Boden stürzte, und dann wehe ihnen allen!
    »Wie viele Dörfer werden Männer schicken, um dabei zu helfen, Sie aufzustellen?« wollte Marrah wissen.
    »Zwanzig«, erwiderte Gorriska, und er wollte gerade zu einer längeren Schilderung ausholen, als er von einem wütenden Ausruf und einem schmerzlichen Jammern unterbrochen wurde. Erschrocken wirbelte Marrah herum und sah die neunjährige Majina schluchzend davonrennen, als ihr der Fremde ein zweites Mal eine Ohrfeige zu geben versuchte. Einen Moment lang waren alle zu schockiert, um etwas anderes zu tun, als den Fremden ungläubig anzustarren.
    »Er hat Majina geschlagen«, japste Gorriska.
    »Meine Tochter!« schrie Lepa, als sie zu Majina lief und sie in die Arme nahm. »Der Wilde hat meine Tochter geschlagen!« Majina schluchzte hysterisch, während sie ihr Gesicht an der Brust ihrer Mutter vergrub. Sie hatte schreckliche Angst. In ihrem ganzen Leben
    hatte kein Erwachsener sie jemals geschlagen. Sie war ausgeschimpft und gelegentlich wütend angeschrien worden, das schon, aber die Angehörigen des Küstenvolks hüteten ihre Kinder wie heilige Geschenke der Göttin und würden ebensowenig die Hand gegen sie erheben, wie sie einen Tempel niederbrennen oder das Standbild der Göttin umstoßen würden.
    Marrah ging vor Majina in die Hocke. »Hast du irgend etwas getan? Hast du ihn in irgendeiner Weise verletzt, Liebes? Nun beruhige dich und erzähl uns, was passiert ist. Es ist nicht dein Fehler, mein Schatz. Wenn er verletzt ist, dann benimmt er sich wie ein kranker Hund, der ohne Vorwarnung beißt. Majina, bitte, beruhige dich und sag uns, was geschehen ist.«
    »Ich hab doch nur ...«, jammerte die Kleine.
    »Nur was, Liebes ?«
    »Ich habe doch nur ein bißchen an seinem Bart gezupft, Tante Marrah.« Sie wischte sich mit dem Handrücken über die Nase und unterdrückte einen Schluchzer. »Sein Bart hat so eine komische Farbe, und ich wollte nur wissen, ob er sich wie Onkel Semes Bart anfühlt oder ...« Wieder fing sie an zu weinen. »Ich schätze, ich habe vielleicht ein bißchen zu fest gezogen, aber das wollte ich nicht. Ich wollte ihn nicht wecken, aber er zuckte zusammen, als hätte er sich erschreckt, und dann hat er ... hat er mich geschlagen!« Majinas Gesicht verzog sich zu einer kläglichen Grimasse, und sie brach erneut in Tränen aus.
    »Er hat sie geschlagen, wie?« Lepa funkelte den Fremden zornig an. »Nun, er wird es nicht noch einmal wagen, sie oder irgendein anderes Kind zu schlagen, sonst werde ich persönlich dafür sorgen, daß er in die Wälder hinausgetragen und den Wölfen vorgeworfen wird!« Es war eine übertriebene Drohung, eine, die sie niemals in die Tat umsetzen würden, aber alle hatten Verständnis für ihren Zorn. Dann hob Lepa Majina mit Schwung auf ihre Arme und stürmte zu dem Fremden, der immer noch mit dem Rücken gegen die Hauswand lehnte und ziemlich verwirrt dreinblickte. Wütend stemmte Lepa die Hände in die Hüften und baute sich vor dem Mann auf. Sie war eine kräftige Frau, eine Fischerin, die ihre Tage damit verbrachte, schwere Fischkörbe zu tragen und Netze einzuholen. Lepa, Ende Zwanzig und Mutter von zwei Kindern, herrschte mit fester Hand über ihre Familie. Wie ihre Mutter und Großmutter brachte sie nichts so schnell aus der Ruhe, aber wenn sie in Zorn geriet, dann flogen die Funken.
    »Du hast etwas Böses getan.« Sie stampfte mit dem Fuß auf und drohte dem Fremden mit dem Finger, als wollte sie einen Hund zurechtweisen. »Böse, böse, böse! Du darfst niemals ein Kind schlagen, hast du gehört?«
    Der Fremde blickte sie leicht belustigt an.
    »Er versteht dich nicht«, sagte Marrah.
    »Dann werde ich dafür sorgen, daß er versteht«, erwiderte Lepa grimmig. »Kommt.« Sie wandte sich an die anderen. »Helft mir. Laßt uns mit Stöcken auf den

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