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Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin

Titel: Alteuropa-Trilogie 2 - Die Schmetterlingsgöttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Mackey
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ein Löwe.«
    Arang war einmal ganz knapp davor gewesen, von einem Löwen gefressen zu werden. Er spähte angestrengt in die Schatten und räusperte sich mit einem heiseren Krächzen, das plötzlich sehr laut klang in der Stille. »Ein Löwe, wie?« Er lachte nervös. »Aber was sollte hier ein Löwe so nahe der Stadt anfangen? Seit Jahren hat niemand mehr einen Löwen in dieser Gegend gesehen.«
    »Stimmt«, flüsterte Stavan, »und deshalb glaube ich, es könnte auch etwas anderes sein.« Er legte einen Finger an seine Lippen. »Psst. Da! Hast du das gehört?«
    Arang spitzte die Ohren, aber wieder vernahm er nur die Pferde und sein eigenes Atmen. Er lächelte schwach. »Eins muß man dir lassen, Stavan: Deine Ohren sind so gut ausgebildet wie beim Habicht die Augen.« Er wollte gerade noch hinzufügen, daß Stavan sich dieses Mal vielleicht geirrt hätte, als die Pferde ganz plötzlich in Panik gerieten und der Wald auf einmal lebendig wurde – so schnell und völlig unerwartet, daß Arang noch immer nach dem vermeintlichen Löwen Ausschau hielt, als ein Verband berittener Krieger aus dem Unterholz hervorpreschte.
    Es mußten mindestens ein halbes Dutzend sein, tätowiert und nackt, mit geschwärzten Zähnen und borstig hochstehendem Haar, das mit rotem Schlamm eingerieben war. Ein Krieger mit gelben Streifen im Gesicht schleuderte einen Speer auf Stavan, aber er verfehlte sein Ziel und grub sich mit dumpfem Grollen in den gefällten Baumstamm. Die präparierten Federn an dem Schaft verfingen sich in den Zweigen und sandten nach dem Aufprall kleine Rauchwölkchen empor. Arang hörte das Surren von Bögen und das Zischen von Pfeilen; augenblicklich umzingelten die Krieger ihn und Stavan, und es gab ein wildes Durcheinander von gellenden Schlachtrufen, Speeren, bemalten Gesichtern und stampfenden Pferdehufen, die dicke Erdklumpen aufspritzen ließen.
    Arang sprang über den gefällten Stamm und begann, Rücken an Rücken mit Stavan gegen die Krieger zu kämpfen, während er seine Axt schwang und donnernde Flüche auf hansi ausstieß – denn in seiner eigenen Sprache gab es keine Worte für den Zorn, den er über diese Feiglinge empfand. Als er ein Gefangener in Vlahans Lager gewesen war, hatten ihn die Nomaden dazu ausgebildet, wie ein Krieger zu kämpfen; doch all das hatte er in seiner rasenden Wut vergessen. Er hieb nur wie von Sinnen auf Pferde und Arme und Beine ein, auf alles, was in seine Nähe kam, und als er um sich schlug, geschah etwas Seltsames: Die Pfeile hörten auf herabzuregnen, und die Krieger wichen in Kreisen ein kleines Stück zurück, während sie schrille Rufe ausstießen und ihre Speere schüttelten.
    »Warum töten sie uns nicht?« schrie er Stavan zu.
    »Weil sie uns lebendig schnappen wollen.«
    »Um uns zu foltern?«
    »Ja.«
    »Dann laß uns lieber jetzt sterben! «
    Arang sprach Sharanisch, aber vielleicht verstanden die Krieger ihn; denn kaum hatte er das Wort »sterben« ausgesprochen, da ritt ein Mann mit eintätowierten gelben Sternen auf dem Gesicht höhnisch brüllend auf sie zu. Als Arang und Stavan ihre Äxte hoben, um ihn abzuwehren, kam ein anderer Reiter herbeigaloppiert und versetzte Stavan einen gewaltigen Schlag auf den Kopf, der ihn zu Boden warf. Sobald Stavan stürzte, schleuderte einer der Krieger seinen Speer nach ihm und heftete ihn auf dem Erdboden fest. Stavan hörte abrupt auf zu schreien und verdrehte die Augen – Blut quoll aus der Wunde an seiner Seite – nur ein wenig Blut, wie die Blütenblätter irgendeiner schrecklichen Blume, die auf seiner schweißbefleckten Tunika erblühte. Schon machte sich der Krieger, der Stavan mit seinem Speer durchbohrt hatte, bereit, von seinem Pferd zu springen, um ihm den Kopf abzuschlagen, und er ignorierte Arang dabei völlig.
    Einen flüchtigen Moment lang sah Arang sich selbst, so wie ihn dieser Krieger sehen mußte: als einen kleinen Mann mit einem zierlichen Körper, ein Tänzer und Schwächling, den man wie ein Kind beiseite stoßen konnte. Mit einem wilden Wutschrei stürzte Arang vorwärts und holte mit seiner Axt nach dem Krieger aus; doch er hatte schlecht gezielt und traf statt dessen das Pferd, wobei die Klinge seiner Axt in den Hals des Tieres schnitt. Das Pferd bäumte sich schrill wiehernd auf, und der Krieger war gezwungen, sich an ihm festzuklammern, um nicht abgeworfen zu werden.
    »Verschwindet, ihr Hundesöhne! « brüllte Arang. Er baute sich breitbeinig über Stavans reglosem Körper auf und schwang

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