Althalus
erhob die Unsauberkeit zu einer Kunstform. Wie in den meisten Stammeshallen war der Erdboden auch der Fußboden, und wie alle anderen hatte auch diese Halle eine Feuergrube in der Mitte. Binsen, die aussahen, als wären sie seit Dutzend Jahren oder länger nicht erneuert worden, waren auf dem Boden verteilt. Alte Knochen und Abfälle verschiedener Art verrotteten in den Ecken, und Hunde sowie Schweine - dösten da und dort. Es war das erste Mal, dass Althalus Schwein en als Haustiere begegnete.
Im vorderen Teil der Halle stand ein grob gezimmerter Tisch, an dem der fetteste Mann saß, den Althalus je gesehen hatte, und Essen in sich hineinstopfte. Es konnte keinen Zweifel geben, wer dieser Mann war, denn Gosti Fettwanst war nicht zu Unrecht zu seinem Namen gekommen. Er hatte Schweinsäuglein und seine schwabbelige Unterlippe hing tiefer als sein Kinn. Eine gebratene Schweinekeule lag auf dem schmierigen Tisch vor ihm. Er riss gewaltige Brocken aus dem Fleisch und stopfte sie sich in den Mund. Unmittelbar hinter ihm stand ein riesenhafter Mann mit harten, unfreundlichen Augen.
»Stören wir ihn beim Mittagsmahl?«, murmelte Althalus dem Mautner zu.
Der Tätowierte lachte. »Eigentlich nicht. Bei Gosti ist es schwer zu sagen, welches Mahl er gerade zu sich nimmt, weil eins ins andere übergeht. Gosti isst die ganze Zeit, Althalus. Ich selber hab's zwar nie gesehen, aber es gibt hier einige, die schwören, dass Gosti sogar im Schlaf isst. Komm, ich will dich ihm vorstellen -und auch gleich seinem Vetter Galbak.«
Sie gingen zum Tisch. »Ho, Gosti!«, rief der Tätowierte, um den Fetten auf sich und seinen Begleiter aufmerksam zu machen. »Das ist Althalus. Lass dir von ihm erzählen, wie er zu seinem schönen wolfsohrigen Umhang gekommen ist.«
»Na gut«, brummte Gosti mit kehliger Stimme und nahm einen tiefen Schluck Met aus seinem Trinkhorn. Er blinzelte Althalus aus seinen Schweinsäuglein an. »Wenn es dich nicht stört, dass ich weiter esse, während du mir die Geschichte erzählst?«
»Keineswegs, Gosti«, erwiderte Althalus. »Mir scheint, du hast da noch einen kleinen hageren Fleck unter dem linken Daumennagel, und ich könnte es wirklich nicht verantworten, dass du vor meinen Augen verhungerst.«
Gosti zwinkerte, dann brüllte er vor Lachen, wobei er fettiges Schweinefleisch über den ganzen Tisch spuckte. Im Gegensatz zu ihm verzog Galbak keine Miene.
Althalus schmückte seine Geschichte über das Würfelspiel in epische Länge und Breite aus, und als der Abend sich herabsenkte, hatte er seinen festen Platz auf dem Hocker neben dem feisten Häuptling. Als er nach und nach für sämtliche in Felle gewandeten Stammesbrüder, die im Laufe des Tages in die große Halle gekommen waren, mehrmals verschiedene Versionen seiner Geschichte zum Bes ten gegeben hatte, erfand er zur allgemeinen Erheiterung in Gosti Fettwansts Halle weitere Lügenmären. Doch so sehr er sich auch bemühte und so laut die anderen lachten, dem riesenhaften Galbak entrang er nicht das leiseste Schmunzeln.
Althalus überwinterte in Gostis Fort. Stets war er mehr als willkommen in der Halle des Fetten, wo er Essen und Met bekam, solange er sich neue Geschichten und Witze ausdachte, die Gostis Wanst vor Lachen auf und ab hüpfen ließen. Gostis vereinzelte Beiträge zur allgemeinen Unterhaltung langweilten seine Stammesbrüder offensichtlich, da der Häuptling sich hauptsächlich darauf beschränkte, mit dem vielen Gold zu prahlen, das er in seiner Schatzkammer gehortet hatte. Anscheinend hatten die Stammesangehörigen diese Geschichten schon so oft gehört, dass sie sie auswendig kannten. Althalus allerdings fand sie ziemlich faszinierend.
Der Winter verstrich, bis der Lenz ihm allmählich die Herrschaft streitig machte. Inzwischen kannte Althalus jeden Winkel von Fettwansts Fort.
Die Schatzkammer war leicht zu entdecken gewesen, da sie rund um die Uhr bewacht wurde. Sie befand sich am Ende des Flurs, der an
die Esshalle anschloss; drei Stufen führten zu der schweren Tür hinauf. Ein massives Bronzeschloss deutete unmissverständlich darauf hin, dass hinter dieser Tür Schätze aufbewahrt wurden.
Althalus entging nicht, dass die Wächter ihrer Aufgabe des Nachts nicht den nötigen Ernst entgegenbrachten und gegen Mitternacht bereits tief und fest schliefen -nicht verwunderlich bei Männern, die sich mehrere Kannen Met zur Arbeit mitnahmen.
Er brauchte jetzt nur noch auf die Schneeschmelze zu warten und darauf zu achten, dass er
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