Altraterra. Band 1: Die Prophezeiung (German Edition)
müssen.
Vergnügt ließ sich Anne in die Badewanne fallen. Kaum war sie in das warme Nass abgetaucht, begann Mirajs Haushälterin, ihr mit einer Bürste den Rücken zu schrubben. „Gibt eine Menge Dreck, den wir von Ihnen herunterkriegen müssen“, sagte sie. Anne war dies ein wenig peinlich und so entschied sie sich für die Flucht nach vorn. „Ja, ich weiß, es ist scheußlich. Wir hatten eine beschwerliche Reise, die ich vollständig in meinem Nachthemd verbracht habe. Ich habe mich schon seit Tagen nach einem Bad gesehnt.“ Gisalen erwiderte nichts, schrubbte jedoch etwas sanfter. Anne fragte sich, ob die Frau nicht neugierig war, wer sie war und was sie hier tat. Doch Gisalen schien vollständig auf ihre Arbeit konzentriert zu sein. „Ich wusste gar nicht, dass Miraj ein so großes Haus besitzt“, versuchte Anne ein Gespräch anzuknüpfen. „Wie es sich für den Ältesten des roten Volkes gehört“, antwortete Gisalen einsilbig, doch nicht ohne Stolz. Ganz offensichtlich war sie ebenfalls ein Kind des roten Volkes. Und Miraj war also ihr Anführer. Das erklärte einiges. „Ich finde das rote Volk sehr sympathisch. Es tut mir leid, dass sie von den Grünmagiern so ausgegrenzt werden und nur im äußeren Distrikt wohnen dürfen“, machte Anne einen erneuten Versuch. Gisalen sah überrascht auf. „Da sind Sie anscheinend ganz wie ihr Bruder“, sagte die Haushälterin. Dann stand sie auf und ließ Anne wissen: „Ich lasse Sie jetzt allein. Das Hausmädchen legt frische Wäsche in Ihr Zimmer und wird Ihnen auch gern einige kosmetische Utensilien bringen, falls Sie dies wünschen. Wenn Sie die Treppe wieder hinuntergehen und sich dann links halten, gelangen Sie in den Speisesaal. Ich gebe der Köchin Bescheid, dass sie ein schmackhaftes Abendessen vorbereitet.“ Dann schloss sie die Tür hinter sich. Nun denn, dachte sich Anne, die Gesprächigste ist sie nicht, aber das Schaumbad ist wirklich fabelhaft und vielleicht kann ich sie später noch aus der Reserve locken. Sie lehnte sich zurück und schloss für einen Moment genießerisch die Augen.
Kapitel 16: Jana und Gisalen
Am nächsten Morgen erwachte Anne frisch und ausgeruht. Einen Moment lang war sie verwirrt, als sie – statt wie bisher in den freien Himmel – an eine Zimmerdecke blickte. Dann fiel ihr wieder ein, wo sie war und sie war froh, endlich an einem sicheren Ort zu sein. Nur traurig, dass es Henri sicherlich bei Weitem nicht so gut ging. Ob der Hohe Rat wegen ihm wohl schon eine Entscheidung getroffen hatte?
Anne öffnete die Tür zum angrenzenden Badezimmer und fand zu ihrer Überraschung auf dem Rand der Badewanne einen sechseckigen Geschenkkarton vor, den jemand mit einer dicken roten Schleife versehen hatte. Beim Öffnen des Päckchens entdeckte sie eine Karte. Darauf war zu lesen: „Für deinen ersten Tag unter den Grünmagiern. Mach dir eine gute Zeit, wir sehen uns beim Abendessen. Miraj“. Anne freute sich, als sie unter einigen Lagen Papier ein schlichtes, jedoch geschmackvolles, grünes Kleid mit passenden Schuhen fand. Beides saß wie angegossen. So ausgestattet ging Anne hinunter zum Frühstück.
Nun erst kam sie dazu, sich in dem riesigen Haus richtig umzusehen. Es war auch von innen ausgesprochen geräumig. Das Mobiliar war geschmackvoll und wirkte teilweise antik. An den Decken hingen Kerzenleuchter, die Wände waren mit Gemälden geschmückt. Einen Moment überlegte sie, ob es sich bei den Porträts um Familienmitglieder von Miraj handelte, aber dann fiel ihr ein, dass er wohl kaum ein Bild seines Vaters besaß – geschweige denn, dass er es hätte aufhängen wollen.
Im Esszimmer war Gisalen bereits damit beschäftigt, den Tisch zu decken, der mehr einer festlichen Tafel glich. Die Köchin musste Stunden am Herd verbracht haben, wenn Anne nach den Köstlichkeiten ging, welche die Haushälterin auftrug. Als Gisalen ihr ein fröhliches „Guten Morgen!“ entgegen schmetterte, war Anne überrascht. Mirajs guter Geist war beim gestrigen Abendessen noch so schweigsam gewesen, aber vielleicht taute er ja nun auf. Anne wünschte ebenfalls einen guten Morgen und setzte sich an den Tisch, wo sie sich an Rühreiern, Brot und Käse, Milch und einigen Gerichten aus den exotischen Früchten gütlich tat, die sie von jenem Abend am Fluss her kannte.
„Herr Miraj ist bereits zum Unterricht gegangen. Er hält heute mehrere Seminare im Fährtenlesen“, erklärte Gisalen nun. „Er bat mich, Ihnen zu sagen, dass Sie sich
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