Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Ende der Ewigkeit

Am Ende der Ewigkeit

Titel: Am Ende der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Carver
Vom Netzwerk:
Sonnenstrahlen einfielen. In der Ferne entdeckte Legroeder schwimmende Büschel aus Seegras und Treibgut – möglicherweise waren dies Zonen im Grenzbereich zum Normalraum, in denen eine größere Dichte oder Masse-Konzentrationen herrschten.
    Zu seiner Überraschung fühlte sich Legroeder aus keinem ersichtlichen Grund zutiefst deprimiert, als trauere er um einen schweren Verlust. Tracy-Ace ging ihm durch den Kopf, und am liebsten hätte er geweint. Ob er sie je wiedersehen würde? Hatte sie ihn getäuscht, damit er an dieser Mission teilnahm? War er ihr auf den Leim gegangen, weil sie ihn zum Narren gemacht hatte? Nein – er dachte an die Intimität ihrer Begegnung und weigerte sich zu glauben, dass alles nur gespielt gewesen war.
    Er sog scharf den Atem ein, erschrocken von der Macht der Emotionen. Großer Gott! Sich umblickend bemerkte er, dass alle im Netz irgendwie bedrückt wirkten. Palagren erschien ihm melancholisch und geistesabwesend; Deutsch konzentrierte sich mit Gewalt auf den Flux unter ihnen. Einzig Ker'sell war sich bewusst, dass Legroeder ihn ansah und setzte eine argwöhnische Miene auf. Legroeder wandte den Blick ab und hoffte, dass keine Erinnerungen an Tracy-Ace ins Netz eingeflossen waren.
    Ich muss nach vorn schauen, ermahnte er sich. Wir sind hier um zu fliegen, nicht um unseren eigenen Bauchnabel zu betrachten.
    In die Stille hinein meldete sich eine Stimme von der Brücke: Hier spricht Cantha. Bei uns zeigen die Instrumente nichts an.
    Ich sehe auch nichts , erwiderte Deutsch.
    Dasselbe gilt für mich , erklärte Legroeder.
    Ker'sell gab keine Antwort.
    Palagren erzeugte ein neues Bild.
    Die kristallklare Meereslandschaft verschwand, und die Phoenix verwandelte sich in ein Flugzeug, das durch dichte Wolkenbänke flog; natürlich war die Vorwärtsbewegung nur eine Illusion. Legroeder spürte, wie sich seine Gefühle mit dem Bild veränderten. Anfangs engten ihn die kompakten Wolkenmassen ein, doch dann fühlte er sich frei und beschwingt. Nicht jeder im Netz teilte indessen seine Emotionen. Palagren wirkte in sich gekehrt, wie wenn er über ein Geheimnis nachgrübelte. Deutschs Gemütsverfassung ließ sich nicht deuten. Ker'sell blickte mit wütender Energie um sich.
    Ehe Legroeder herausfand, was Ker'sell störte, produzierte der Narseil abermals ein neues Bild – als könne er den Anblick der Wolken nicht länger ertragen. Dunkle Silhouetten lauerten im Nebel und verblassten wie Träume. Was waren das für Gestalten – sollten sie besser ihr Augenmerk darauf richten? Zu spät – der Nebel verflüchtigte sich, und die Nacht senkte sich herab. Nun schwebten sie in einer gläsernen Kugel über einer dunklen, konturlosen See.
    Stimmte das überhaupt? Legroeder fühlte, dass sich unter der Oberfläche etwas zusammenbraute. Die Fläche drunten war nicht völlig reglos und still; in ihr glosten schwefelgelbe Feuer. Sowie er sich dies vergegenwärtigte, schienen sich die Brände auszubreiten. Nach wenigen Herzschlägen war die Ebene gesprenkelt mit gelben und orangeroten Flammentümpeln, wie eine Ansammlung von Pforten zur Hölle. Was seht ihr anderen da drunten? , flüsterte er.
    Mir kommt alles ziemlich homogen vor , erwiderte Deutsch.
    Mir ebenfalls , murmelte Palagren.
    War er der Einzige, der die Feuer wahrnahm? Legroeder spähte zu Ker'sell empor, der die Position eines Militärjet-Piloten einnahm, und wusste die Antwort. Der Narseil starrte von seinem erhöhten Platz aus hinunter, aber nicht auf die Landschaft, sondern auf Legroeder. Die flammenden Punkte stellten keine Schlupflöcher in die Hölle dar, sondern sie versinnbildlichten Ker'sells Groll. In ihm brannten Feuer aus Argwohn und Wut.
    Leise sprach Legroeder Ker'sell an. Was ist los? Was bereitet Ihnen Sorgen?
    Warum sollte ich darüber sprechen, schien Ker'sells Blick zu antworten. Misstrauen gegenüber Legroeder fraß den Narseil innerlich auf, doch er hatte nicht die Absicht, dies laut zu äußern.
    Falls Sie denken, ich hätte Sie verraten, so befinden Sie sich im Irrtum. Legroeder staunte, wie gelassen er blieb, trotz der schwefeligen Glut. Ich kann Ihre Wut da draußen sehen. Die Feuer brennen in Ihnen, und nicht im Flux; habe ich Recht?
    Ker'sell schwieg, aber Palagren blickte Legroeder verdutzt an. Palagren hatte eindeutig keine Ahnung, was Legroeder sah, doch auch er schien mit etwas zu kämpfen. Zweifelte er an sich selbst? War er sich nicht mehr sicher, ob er das Schiff unbeschadet durch diese Zone steuern konnte?

Weitere Kostenlose Bücher