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Am Ende des Tages

Am Ende des Tages

Titel: Am Ende des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Hültner
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beinahe schon geneigt, eine derartige Unbeugsamkeit zu bewundern. Bis ich verstand, dass ihr Wille zur Macht kein Zeichen von Stärke, geschweige denn das einer bedachten Strategie ist. Sondern, dass diese Leute gar keine andere Wahl haben. Weil es nichts als erbärmliche Angst ist, die sie antreibt.«
    Kajetan hörte zu.
    »Das wackere deutsche Bürgertum nämlich hat die Hosen voll bis zum Stehkragen. Der Großbürger unter ihnen befürchtet, dass wieder geschehen könnte, was er in der Revolutionszeit für einige Monate erleiden musste. Den Kleinbürger versetzt es in Hysterie, dass er wieder in jene Verhältnisse zurücksinken könnte, aus denen er sich so mühsam emporgearbeitet hat. Also hält man Ausschau nach einem Feind, der dafür verantwortlich zu machen ist. Und findet ihn – trefflich munitioniert auch von der bürgerlichen Presse – unter Sozialisten, Anarchisten, Kommunisten. Und allen, die anders als er aussehen, denken und glauben. – Sie glauben nicht, dass es so einfach ist?«
    »Doch«, sagte Kajetan. »Genau so einfach.«
    Und genau so kompliziert, dachte er.
    »Aber kümmern wir uns jetzt wieder um das, was vor uns liegt«, sagte Herzberg. »Sie wirken übrigens heute ein wenig zerstreut, wenn ich das anmerken darf. Alles in Ordnung? Oder gibt es etwas, was Sie neben Ihrem Auftrag belastet?«
    Kajetan schüttelte den Kopf. »Nichts«, sagte er. »Es wird bloß langsam interessant.«
    Geht dich nichts an, mit wem ich heut Abend noch auf die Praterinsel geh, dachte er.

31.
    »Ich bin enttäuscht von Ihnen, Herr Kull.« Der SA-Mann deutete auf einen Stuhl und wies Kulls Begleiter mit einer gebieterischen Handbewegung aus dem Büro. »Auf die Idee, dass sich unser Mann mit Absicht so dilettantisch angestellt hat, scheinen Sie zu keiner Minute gekommen zu sein. Sie kamen sich besonders gewitzt vor und wollten ihn in eine ruhige Seitengasse locken. Damit haben Sie genau das getan, was wir brauchten, um Ihrer habhaft zu werden.«
    »Kompliment«, sagte Kull finster. Er taxierte sein Gegenüber. Bebrillt, noch keine dreißig, fleischige Wangen, Schmiss.
    »Und wozu das Theater?«
    »Nun, unter anderem geht es uns auch immer um Erziehung, nicht? Eine Lehre dürften Sie daraus ja wohl schon einmal gezogen haben. Nämlich die, dass Sie uns nicht unterschätzen sollten.« Der SA-Mann nickte befehlend zum Stuhl. Kull setzte sich.
    »Aber ich kann Sie beruhigen. Ich möchte lediglich ein wenig mit Ihnen plaudern.« Er hob die Hände zu einer bedauernden Geste. »Diese Methode musste gewählt werden, weil nicht ausgeschlossen werden konnte, dass Sie einer höflichen Einladung nicht Folge leisten würden. Sollten meinen Männern dabei Grobheiten unterlaufen sein, möchte ich mich ausdrücklich dafür entschuldigen. Wenn, dann waren sie höchstens ein unwillkürlicher Reflex darauf, dass auch Sie zuweilen nicht gerade zimperlich agieren.« Er seufzte gespielt. »Aber wir sind nun mal in Bayern, nicht wahr? Ein bisschen kräftiger zuzulangen ist gewissermaßen eine Eigenheit dieses Stammes. Nehmen Sie es also nicht allzu persönlich.«
    »Ich bemühe mich«, sagte Kull. »Dürfte ich aber jetzt wissen, mit wem ich es eigentlich zu tun habe?«
    »Ich bin Mitglied der Kreisleitung. Mehr braucht Sie nicht zu interessieren.«
    »Und Sie haben mit Parteifinanzen zu tun.«
    »Sie kommen schnell auf den Punkt.« Der SA-Mann lächelte anerkennend. »Womit ich mir weitere Einleitungen sparen kann. Ja, es ist uns zu Ohren gekommen, dass Sie in einer Angelegenheit ermitteln, die uns ebenfalls beschäftigt. Eine, bei der es sich für Sie unter Umständen lohnen könnte, mit uns zu kooperieren.«
    »Was ist, wenn ich daran kein Interesse habe?«
    Ein mokantes Lächeln umspielte den lippenlosen Mund des Finanzbeauftragten. »Das überlasse ich Ihrer Vorstellungskraft, Herr Kull. Sie stehen ja im Ruf, nicht gerade auf den Kopf gefallen zu sein. Warten Sie einfach ab, was ich Ihnen zu sagen habe, und denken Sie anschließend sorgfältig darüber nach.«
    »Werden Sie endlich deutlicher? Worum geht es?«
    »Wenngleich ich fast sicher bin, dass Sie es längst wissen, erkläre ich es Ihnen gerne noch einmal, Herr Kull. Also: Die nicht unerhebliche Summe von etwa hunderttausend Reichsmark ist während eines Transportfluges verschwunden. Da uns die offiziellen Erklärungen dazu nicht zufrieden gestellt haben, haben wir selbst nach dem Verbleib geforscht und sind zunächst zu dem Ergebnis gekommen, dass das Geld leider

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