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Am Ende war die Tat

Am Ende war die Tat

Titel: Am Ende war die Tat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Pakistani. Er stellte sich als Ubayy Mochi vor. »Ich fürchte, dieses arme Mädchen ist im Park überfallen worden.«
    »Ness?«, war alles, was Joel herausbrachte. »Nessa? Ness?« Er hatte Angst, sie zu berühren. Er trat von der Tür zurück und hörte Toby die Treppe herunterkommen. Über die Schulter rief er: »Toby, bleib oben, okay? Mach dir die Glotze an! Is' nur Ness, okay?«
    Das war so gut wie eine Einladung. Toby kam die restlichen Stufen herab und in die Küche. Er blieb wie angewurzelt stehen und drückte sein Skateboard an die Brust. Er sah erst zu Ness, dann zu Joel, und fing an zu weinen, gefangen zwischen Angst und Verwirrung.
    »Scheiße«, murmelte Joel, hin- und hergerissen zwischen den Notwendigkeiten, Toby zu trösten und etwas für ihre Schwester zu tun. Aber er wusste weder, wie er das eine noch das andere bewerkstelligen sollte. Er stand stocksteif da und wartete, was als Nächstes passieren würde.
    »Wo sind eure Eltern?«, wiederholte Ubayy Mochi, dieses Mal drängender. Er schob Ness über die Schwelle. »Irgendetwas muss mit diesem Mädchen geschehen.«
    »Wir ha'm keine Eltern«, erklärte Joel, was Toby ein neuerliches Heulen entlockte.
    »Aber ihr wohnt hier doch sicher nicht allein?«
    »Bei unserer Tante.«
    »Dann musst du sie holen, Junge.«
    Das war unmöglich. Kendra war mit Cordie ausgegangen. Doch sie hatte ihr Handy bei sich, und Joel lief auf wackligen Beinen in die Küche, um sie anzurufen. Mochi folgte mit Ness, vorbei an Toby, der die Hand ausstreckte und das Bein seiner Schwester berührte. Er schluchzte nur noch lauter, als Ness zurückzuckte.
    Ubayy Mochi setzte Ness auf einen der Küchenstühle. Jetzt erkannte Joel, was ihr passiert war. Der kurze Rock war bis zum Bund zerfetzt. Ihre Nylons waren verschwunden. Genau wie ihr Slip.
    »Ness. Nessa. Was ist passiert? Wer war das? Wer hat ...?« Aber in Wahrheit wollte er gar keine Antwort. Er wusste, wer das getan hatte, er wusste, warum und was es bedeutete. Als seine Tante sich meldete, sagte er ihr nur, sie müsse sofort nach Hause kommen. »Es is' Ness«, erklärte er.
    »Was hat sie angestellt?«, fragte Kendra.
    Die Frage traf Joel wie ein unerwarteter Schlag, und er holte mühsam tief Luft. Er legte auf. Er blieb am hinteren Ende der
    Küche am Telefon stehen. Toby kam zu ihm, suchte Trost. Joel konnte ihm keinen geben.
    Ubayy Mochi füllte den Wasserkocher; ihm war nichts eingefallen, was er sonst hätte tun sollen. Joel erklärte, ihre Tante sei auf dem Heimweg - obwohl er das nicht genau wusste -, und wartete, dass der Pakistani sich verabschieden möge. Doch Mochi hatte keineswegs die Absicht zu gehen. Er sagte: »Hol den Tee, junger Mann. Und Milch und Zucker. Und kannst du denn nicht diesen armen kleinen Jungen beruhigen?«
    »Toby, halt jetzt die Klappe«, befahl Joel.
    Toby schluchzte: »Jemand hat Ness verhauen. Und sie sagt gar nix. Warum nich'?«
    Ness' Schweigen ängstigte auch Joel. Mit einem Wutanfall seiner Schwester konnte er fertig werden, aber das hier überforderte ihn. »Toby. Sei still, okay?«, sagte er.
    »Aber Ness ...«
    »Ich hab gesagt, du sollst das Maul halten!«, blaffte Joel. »Und jetzt hau ab! Geh nach oben! Raus hier! Du bis' doch nich' blöd, also geh, bevor ich dir in den Arsch trete!«
    Toby floh aus der Küche wie ein aufgeschrecktes Tier. Sein verzweifeltes Heulen schallte die Treppe herab. Er lief bis ganz oben, und das Zuschlagen einer Tür sagte Joel, dass sein Bruder sich in ihrem Zimmer versteckt hatte. Damit blieben Ness, Ubayy Mochi und der Tee. Joel widmete sich dessen Zubereitung, doch letztlich trank niemand auch nur einen Schluck davon, und am nächsten Morgen zog der Tee immer noch - ein kaltes, übel riechendes Gebräu, das in den Ausguss geschüttet wurde.
    Bei ihrer Heimkehr fand Kendra einen vollkommen Fremden, Ness und Joel in der Küche vor, die beiden Ersten an dem alten Kieferntisch, Letzterer an der Spüle. Beim Eintreten rief sie Joels Namen, und: »Was ist los?« Dann entdeckte sie sie. Sie wusste die Antwort, ohne dass irgendwer ihr etwas erklären musste. Sie ging zum Telefon, wählte den Notruf und sprach barsch und in dem perfekten Englisch, das man sie für genau solche Momente gelehrt hatte - ein Englisch, das augenblicklich für Ergebnisse sorgte.
    Als sie das Telefonat beendet hatte, ging sie zu Ness. »Die Polizei wartet im Krankenhaus auf uns«, sagte sie. »Kannst du gehen, Ness?« Und den Pakistani fragte sie: »Wo ist es passiert? Wer war

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