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Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Titel: Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kylie Fitzpatrick
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hergekommen. Man hat Papa ganz unerwartet in den Tuchhändler-Saal gerufen, und Mama hat gesagt, ich darf herkommen, wenn ich mich beeile. Sie empfängt solange unsere Gäste, aber das dürfen Sie nicht verraten! Er wäre extrem böse, wenn er erfahren würde, dass ich ohne Begleitung unterwegs war. Aber es ist mein Geburtstag, und ich werde bald eine Ehefrau sein, also muss ich wenigstens heute frei sein!«
    Als sie den Hyde Park durchquerten, spürte Rhia die stechenden Blicke von kerzengerade sitzenden Reiterinnen im Damensattel und flanierenden Spaziergängerinnen mit Sonnenschirmen aus Spitze. Da es sich um einen bedeckten Februarnachmittag handelte, nahm Rhia an, dass die Schirme der leichteren Beobachtung dienten. Gesehen zu werden war ein wesentlicher Teil des Lebens in London, doch Rhia kam sich dabei vor, als hätte sie etwas Wichtiges vergessen und keine Möglichkeit herauszufinden, was es war. Isabella hingegen passte perfekt in den Hyde Park. Alles an ihr war teuer und modern, und sie konnte erhobenen Hauptes hindurchfahren, was sie auch tat.
    Rhia hatte keine Gelegenheit, sich nach Isabellas zukünftigem Gatten zu erkundigen, denn ihre Begleiterin holte kaum Atem. Sie war fest entschlossen, eine Bestandsaufnahme der Gästeliste zu machen. Dazu gehörten die Töchter von Direktoren der Bank of England, eine preußische Baronin, ein italienischer Viscount und allerlei Grafen, Lords und Herzöge. Und natürlich würde ihr zukünftiger Gemahl da sein, wobei er mit ihrem Vater und einigen anderen Herren im Salon über »Geschäfte« sprechen würde. Er war, sagte sie, ein Schiffsmagnet.
    »Vielleicht eher ein Magnat?«, schlug Rhia vorsichtig vor, und Isabella stimmte zu, dass es sich auch darum handeln könnte.
    Als sie in den Belgrave Square einbogen, griff Isabella plötzlich nach Rhias Hand. »O Miss Mahoney, ich wünschte, ich wäre so mutig wie Sie! Ich langweile mich ja so. An den Abenden. Papa ist immer in seinem Club und Mama in ihrem Boudoir. Mama sagt, die Dienstboten beobachten mich und erstatten dann Papa Bericht, aber sie wird manchmal ziemlich konfus, deshalb weiß ich nicht, ob das stimmt. Wenn es nach mir ginge, würde ich jeden Abend in der Drury Lane ausgehen! Ich weiß, das ist ziemlich riskant, aber ich wollte immer Ballettstunden nehmen. Papa würde das nie erlauben. Er sagt, Ballett ist vulgär und überhaupt nicht kultiviert.«
    Rhia entzog ihr ihre Hand so sanft sie nur konnte. Man musste Isabella einfach mögen, trotz ihres Bilderbuchdaseins. »Aber Sie werden doch bald verheiratet sein und vermutlich auch Kinder bekommen. Von dem, was ich über Kinder weiß, werden Sie sich dann nie wieder langweilen!«
    Isabella seufzte. »Ja, natürlich. Ich hoffe, mein Gemahl ist ein freundlicher Mann.«
    »Halten Sie ihn dafür?«
    Isabella zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Ich habe ihn erst einmal getroffen.«
    Rhia versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr sie das schockierte. Das sollte es eigentlich nicht. Arrangierte Ehen waren unter Adligen üblich, und Mr Montgomery würde nur das Wohl seiner Tochter am Herzen liegen.
    »Verflixt!«, rief Isabella. »Papas Kutsche ist da. Ich muss zum Dienstboteneingang rein und so tun, als sei ich oben gewesen.« Ehe Rhia etwas erwidern konnte, war sie bereits hinausgesprungen und verschwunden.
    Die lange, bogenförmige Auffahrt zum Anwesen der Montgomerys war von livrierten Kutschen, schnittigen Landauern, Wagen und dazugehörigen Lakaien gesäumt. Rhias Magen schlug einen Purzelbaum. Sie hatte sich eine intime kleine Teegesellschaft vorgestellt, und nicht das hier. Wo auch immer sie hinsah, erblickte sie Berge von zitronenfarbenem Chiffon und Stickereien auf weißem Organdy und erdbeerrotem Tüll. Eine Zuckerbäckerei der Mode. Sie fühlte sich in ihrem lilafarbenen Taft wie ein Mehlpudding mit Pflaumen. Der Stoff war eine Mischung aus Seide und Baumwolle und ihre einzige Anschaffung, seit sie im Laden angefangen hatte. Sie hatte Violett gewählt, um sich mutig zu fühlen. Außerdem trug Rhiannon, die Göttin, einen violetten Umhang.
    Rhia blieb noch einen Moment sitzen, um die Szene zu überblicken und sich zu sammeln. Es war wie eine Seite aus Sylvia’s Home Journal . Grace wäre begeistert gewesen. Die Taillen waren schmal und die Schuhe spitz, die Mieder verstärkt und Korsagen en cœur , die Krinolinen riesig und mit Volants besetzt. Ärmel, sofern es sie gab, waren kurz und eng und mit einer Spitzenmanschette am Ellbogen

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