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Am Rande Der Schatten

Titel: Am Rande Der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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und binnen einer Sekunde waren alle Kinder in der Gilde wach.
    Der Wirbelwind wurde zu einem winzigen Tornado. Obwohl noch immer kein Wind ging, nahm irgendetwas Gestalt an, schwarze Flecken, die in einer Höhe von fast zwei Metern in schwindelerregendem Tempo umherwirbelten und Hu die Sicht versperrten. Der Tornado erstrahlte in einem irisierenden, schimmernden Blau. Funken schossen heraus und tanzten über dem Boden, und die Kinder schrien auf.
    In dem Tornado nahm ein Mann Gestalt an oder etwas wie ein Mann. Die Gestalt blitzte blau auf und sprühte Licht in alle Richtungen, und nicht einmal Hu war schnell genug, um die Augen zu bedecken.
    Als er wieder hinschaute, stand vor den Kindern, die mit großen Augen auf dem Boden kauerten, eine Gestalt, wie er sie noch nie gesehen hatte. Der Mann schien aus glänzendem, schwarzem Marmor gemeißelt zu sein oder aus flüssigem Metall geformt. Seine Kleider waren weniger Kleider als Haut, obwohl es den Anschein hatte, als trüge er Schuhe und sei geschlechtslos. Sein ganzer Körper war aus ungebrochenem Schwarz, und alle Konturen zeichneten sich scharf ab. Er war
hager, und jeder Muskel war wie gemeißelt, von seinen Schultern bis zu dem V seiner Brust, seinem Magen, seinen Beinen. Doch seine Haut hatte etwas Merkwürdiges. Zuerst hatte der Mann oder Dämon oder die Statue Licht widergespiegelt wie polierter Stahl. Jetzt glänzten nur einzelne Teile von ihm: die Halbmonde seiner Bizeps, die horizontalen Linien seiner Unterleibsmuskeln. Der Rest von ihm verblasste von glänzendem Schwarz zu mattem Schwarz.
    Das Erschreckendste war das Gesicht des Dämons. Es sah noch weniger menschlich aus als der Rest seines Körpers. Der Mund war ein schmaler Schlitz; hohe Wangenknochen; zerzaustes Haar, stachelig und schwarz; vorspringende, missbilligende Brauen über den riesengroßen Augen eines Albtraums. Die Augen waren von dem blassesten Blau des kältesten Wintermorgens. Sie sprachen von mitleidlosem Urteil, von Strafe ohne Reue. Während die Gestalt die Kinder betrachtete, wuchs Hus Gewissheit, dass die Augen tatsächlich glühten. Rauchschwaden schlängelten sich aus infernalischen Feuern, die innerhalb dieser Höllengestalt brannten.
    »Kinder«, sagte die Gestalt. »Habt keine Angst.« Die Kinder schluckten hörbar, und trotz der Worte sah jede Gilderatte so aus, als sei sie auf dem Sprung, die Flucht zu ergreifen. »Ich werde euch nichts tun«, fuhr der Dämon fort. »Aber ihr seid hier nicht sicher. Ihr müsst zu Gwinvere Kirena gehen, der Frau, die ihr als Momma K kennt. Geht und bleibt bei ihr. Sagt ihr, der Nachtengel sei zurückgekehrt.«
    Mehrere Kinder nickten mit großen Augen, aber sie alle schienen wie angewurzelt zu sein.
    »Geht!«, befahl der Nachtengel. Er trat durch einen Schatten vor, der das Mondlicht auf dem Boden des Lagerhauses durchschnitt, und etwas Unheimliches geschah. Wo der
Schatten durch den Nachtengel ging, verschwand der Dämon. Ein Arm und sein Kopf lösten sich auf - bis auf zwei glühende Punkte, die im leeren Raum hingen, wo seine Augen sein sollten. »Lauft!«, schrie der Nachtengel.
    Die Kinder schossen davon, wie nur Gilderatten es tun können.
    Hu wusste, dass er diesen Nachtengel töten sollte. Gewiss würde der Gottkönig ihn belohnen. Außerdem versperrte der Dämon Hu den Eingang zu seinem Auftrag. Der Nachtengel stand zwischen ihm und mehr als dreihundert saftigen Morden.
    Aber es war schwer zu atmen. Er hatte keine Angst. Es war einfach so, dass er keine kostenlosen Aufträge übernahm. Er würde diesen Engel töten, aber zunächst einmal würde er gehen und dafür sorgen, dass der Gottkönig ihn dafür bezahlte. Falls der Nachtengel von dem unterirdischen Gewölbe wusste, war es bereits zu spät. Falls der Nachtengel nichts von dem Gewölbe wusste, würden die Huren morgen noch da sein. Er würde heute einen Vertrag für den Nachtengel abschließen und morgen zurückkehren und die Huren und den Nachtengel töten. Es war vollkommen logisch. Furcht hatte nichts damit zu tun.
    Der Nachtengel wandte das Gesicht empor, und als sein Blick auf Hu Gibbet fiel, blitzten seine Augen, und aus einem schwelenden Blau wurde ein feurig brennendes Rot. Im nächsten Moment verschwand der Rest des Nachtengels, bis auf die brennenden, roten Lichtpunkte.
    »Begehrst du dein Urteil heute Nacht, Hubert Marion?«, fragte der Nachtengel.
    Kalte Furcht lähmte ihn. Hubert Marion. Seit fünfzehn Jahren hatte ihn niemand mehr so genannt. Der Nachtengel
bewegte

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