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Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition)

Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition)

Titel: Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire McGowan
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und der Woche danach – fing es draußen vor den Fenstern an zu dämmern, und Keisha machte Anstalten aufzubrechen. »Es ist schon spät.«
    Einen Moment lang schwiegen sie beide.
    »Ich werd dann wohl am besten mal …«
    »Entschuldige.«
    »Entschuldige dich doch nicht ständig«, entgegnete Keisha. »Ich wollte sagen: Ich geh dann mal.«
    Charlotte wandte das Gesicht ab und suchte die Krümel ihrer letzten Schachtel Jaffa Cakes zusammen. »Wo willst du denn hin? Hast du nicht gesagt, dass du aus dem Haus deiner Mutter ausziehen musstest?«
    »Ja. Mal sehn.«
    »Aber du gehst nicht wieder in dieses Hostel.« Hatte sie überhaupt das Geld dazu? Charlotte bezweifelte es sehr. Sie überlegte, wie sie es sagen sollte – wie sie mit dieser jungen Frau sprechen sollte, die so anders war als sie, so stolz und so defensiv. »Dan hat gesagt, ich soll mir einen Mitbewohner suchen«, begann sie und klappte den Mülleimer auf. »Und ehrlich gesagt habe ich jetzt nachts manchmal ganz schöne Angst, seit dieser Sache mit der Farbe und … alldem.«
    »Ja?« Keisha nestelte an ihrer Tasche herum.
    Da rückte Charlotte mit der Sprache heraus. »Du solltest eine Weile hierbleiben. Bitte. Das Alleinsein tut mir nicht gut. Ich schlafe schlecht, esse nichts, na ja, kaum was.«
    »Na ja, ein bisschen mehr auf den Knochen könntest du tatsächlich vertragen, du dünnes Ding.« Sie machte Anstalten aufzustehen.
    »Ach, wie sag ich das denn bloß? Hör mal, ich kann mir denken, wie schwierig es für dich war hierherzukommen, denn er ist ja schließlich dein Freund, und ich bin … nur irgendjemand, den du mal in einem Club getroffen hast. Aber du hast es dennoch getan, weil es gut und richtig war, es zu tun – nicht wahr?« Sie überlegte krampfhaft, wie sie es sagen sollte. »Wenn du ein paar Tage bleiben würdest, könnten wir das vielleicht alles aufschreiben. Und damit zur Polizei gehen.«
    »Na ja, ich weiß nich.« Keisha wirkte beunruhigt.
    »Deshalb hast du mir das alles doch erzählt, oder? Damit wir etwas unternehmen können?«
    Keisha lächelte ein wenig, vielleicht über das wir . »Vor allem, damit du weißt, dass er vielleicht doch kein Verbrecher ist – dein Typ.«
    Charlotte nahm das als das Geschenk an, das es war, und ihr war klar, welche Überwindung es Keisha kosten musste, das zu sagen. »Dafür werde ich dir bis an mein Lebensende dankbar sein.«
    »Ach, komm, mach mal halblang.«
    Charlotte war schon wieder den Tränen nah, so sehr wollte sie, dass diese junge Frau nicht wieder fortging – obwohl sie eine Fremde war und schmierige Fingerabdrücke auf dem ganzen Glastisch hinterließ. »Nur ein paar Tage. Bis sich etwas Besseres für dich findet.«
    Keisha seufzte innig und stellte ihre Tasche wieder ab. »Na, dann setz mal Wasser auf.«
    Und so kam es, dass Keisha im Abstellraum einzog – eine junge Frau mit der langgliedrigen Gestalt einer ostafrikanischen Läuferin, feindselig blickenden Augen und Haaren, die sich dank Glättung und anderweitiger Behandlung in eine Substanz verwandelt hatten, die ebenso wenig natürlich war wie Teflon. Sie futterte tütenweise Käseflips, deren grellgelber Krümelstaub in die cremefarbene Wolloberfläche des Sofas drang. Sie ließ ihre riesigen Sneakers, die ebenso käsig rochen wie die Flips, stets da stehen, wo Charlotte garantiert darüberstolpern würde. Sie schien keinerlei Geld zu besitzen, bis auf ein paar Pfundmünzen, die sie in einem billigen Geldbeutel verwahrte, sagte aber, in dem Pflegeheim, in dem sie nachts arbeitete, liege ein Umschlag für sie bereit – das war anscheinend die Art und Weise, wie sie bezahlt wurde, und sie hielt das auch noch für normal . Sie könne diesen Umschlag aber noch nicht abholen, denn es bestünde die Gefahr, ihm dort in die Arme zu laufen. Von dieser Idee war sie nicht abzubringen. Wenn sie einen der Orte aufsuchen würde, an denen sie normalerweise zu finden war, würde er es spitzkriegen. Und man schaue sich nur an, was mit ihrer Mutter geschehen war.
    Manchmal brach sie urplötzlich in Gelächter aus. Am zweiten Abend, nach einem weiteren mit dem Wiederkäuen von Geschichten und dem Futtern von Keksen verbrachten Tag, wartete Charlotte vor dem Badezimmer darauf, sich die Zähne zu putzen, als Keisha drinnen losprustete und überall mit Zahncreme vermengte Spuckeflecken hinterließ. Sie sahen einander im Spiegel an.
    »Was ist denn so lustig?« Charlotte war inzwischen leicht gereizt darüber, jemand so Fremdartigen in ihrer

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