Am Sonntag stirbt Alison
Montero. Großgrundbesitzer aus der Gegend von Chihuahua. Und offenbar der inoffizielle Chef eines der größten Drogenkartelle der Gegend.«
»Was?«, rief Lys viel zu laut. Erschrocken warf sie einen Blick auf die Tür, hinter der Frau McKinley hoffentlich immer noch telefonierte.
»Ja! Das steht hier! Er ist vor knapp fünf Jahren gestorben, also der Opa von Alison, und seine zweite Frau hat die Geschäfte übernommen. Aber nach einem Gemetzel an einer Gruppe Jugendlicher, die einem anderen Kartell angehörten, hat Maria Corazón gegen ihre Stiefmutter vor Gericht ausgesagt! Von wegen Erbschaftsstreit! Hier ging es um etwas ganz anderes: Bevor Maria Corazón Mexiko verließ, hat sie versucht, ihre Stiefmutter hinter Gitter zu bringen!«
»Wahrscheinlich ist sie gerade deshalb nach Deutschland gekommen, weil sie Angst vor der Rache dieser Drogenleute hatte«, meinte Sibel nachdenklich. »Ja. Das macht Sinn. Da würde ich mich auch bedroht fühlen.«
»Steht da sonst noch etwas?«, fragte Lys.
Leos Blick flog hastig über die Zeilen. »Ach du Schande!«, stöhnte er dann.
»Was?«
»Alison. Sie muss Zeuge dieses Massakers gewesen sein. Und sie war als Zeugin vor Gericht geladen.«
»Moment mal.« Sebastian hatte das Album weggelegt. »Soll das jetzt heißen, dass diese Typen, die Alison entführt haben, von so einer mexikanischen Mafiaorganisation sind?«
Lys nahm die beiden Postkarten vom Tisch und hob sie in die Höhe. »Wenn die Killer eines Drogenkartells hinter einem her sind, dann lohnt sich so ein Aufwand, oder?«
Für einen Moment herrschte Stille. Dann zog Leo sein Handy aus der Tasche und wählte eine Nummer.
»Wen rufst du an?«, fragte Lys.
»Die Polizei«, sagte er knapp. »Hallo? Ja, hier spricht Leo Lambert. Ich habe eine Information zum Fall Alison McKinley. Könnten Sie bitte… ja, ich warte.« Er begann vor der Küchenzeile auf und ab zu tigern. Er stolperte über Özil, der sich jaulend unter den Tisch verzog, was Leo aber gar nicht zu bemerken schien. »Ja – ja, ich bin’s, Leo Lambert. Ich habe eine wichtige Information… ja, ich weiß, das war etwas voreilig, McKinley zu beschuldigen, aber… sehen Sie, es sah wirklich danach aus, dass… hören Sie, das mag ja sein, aber diesmal ist es wirklich wichtig… jetzt hören Sie mir doch mal zu! Es geht um Alisons Vergangenheit. Sie und ihre Mutter haben in einem Prozess gegen ein mexikanisches Drogenkartell ausgesagt, bevor sie nach Deutschland kamen. Es wäre doch möglich, dass Alisons Verschwinden ein Racheakt dieser Leute ist, oder?« Er lauschte kurz, dann sagte er: »Na, so weit ist Mexiko auch nicht weg. Mit dem Flugzeug sind das vielleicht zehn Stunden, also… ja, aber es könnte doch immerhin sein, dass… nein, ich habe nichts von Mord gesagt, aber wenn Sie es schon ansprechen, denkbar wäre es ja schon… Gut. Sehr gut. Ich hoffe, wir können uns darauf verlassen.« Die Antwort seines Gegenübers war so laut, dass Leo das Handy kurz vom Ohr weghielt. Dann versuchte er erneut zu vermitteln: »Hören Sie, ich meine ja bloß. Das letzte Mal haben Sie auch gesagt, Sie leiten die Informationen nach München weiter und in München wusste dann keiner davon. Was? Ich rede von Samstag, als Julia Sommer Ihnen mitgeteilt hat, dass Alison die ganze Zeit in München gelebt hat, und Sie… Ja. Nein! Samstag! Samstagnachmittag, bevor wir nach München gefahren sind! Was? Sind Sie sicher? Ich meine, kann es nicht sein, dass eine andere Dienststelle… Nein, das wollte ich damit nicht sagen… Hallo? Hallo???« Leo ließ seufzend den Hörer sinken. »Gut. Mit der Bonner Polizei habe ich es mir jetzt endgültig verdorben.«
»Wieso? Was war denn?«, fragte Lys.
»Na, erst hat er behauptet, ich würde ihnen unterstellen, Alisons Mutter wäre in Wirklichkeit ermordet worden und die Polizei habe das übersehen. Und dann hat er behauptet, von unserem Anruf am Samstag überhaupt nichts zu wissen. Kein Mensch habe ihnen mitgeteilt, dass Alison in München war. Wahrscheinlich hat die Telefonzentrale vergessen, das weiterzuleiten oder so. Aber der Herr Kommissar meinte jetzt, ich würde seine Kompetenz anzweifeln«, erklärte Leo mit einem genervten Gesichtsausdruck.
»Na ja, selbst wenn, zu Recht, oder? Diese Polizei ist doch echt ein Chaotenverein!«, beschwerte sich Sibel. »Genau wie in München, wo Julias Anruf ja auch nicht weitergeleitet wurde! Dein Freund und Helfer, von wegen!«
Und in diesem Moment hatte Lys wirklich den Eindruck,
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