Amber-Zyklus 07 - Das Blut von Amber: der Titel
und drehte ihn so, daß sie die Szene über die rechte Schulter hinweg im Blick hatte.
»Ja«, sagte sie nach einer Weile. Dann reichte sie mir den Spiegel. »Schau ihn dir so an, wie ich es gerade getan habe«, forderte sie mich auf.
Ich nahm den Spiegel, hielt ihn hoch, brachte ihn in die richtige Stellung und starrte hinein.
Der Anblick, der sich mir bot, war nicht derselbe, der sich meiner direkten Betrachtung gezeigt hatte. Jetzt war ich in der Lage, über den Baum hinauszusehen, durch den Nebel hindurch den größten Teil des sonderbaren Musters wahrzunehmen, das sich in seiner Helligkeit über den Boden schlängelte und sich bis ins Innere zu seinem exzentrischen Endpunkt erstreckte, dem einzigen Punkt, der immer noch durch einen unbeweglichen weißen Turm verhüllt war, in dem winzige Lichter wie Sterne zu glitzern schienen.
»Das sieht nicht so aus wie das Muster damals in Amber«, sagte ich.
»Nein«, antwortete sie. »Ist es in irgendeiner Weise mit dem Logrus zu vergleichen?«
»Eigentlich nicht. Der Logrus verändert sich ständig geringfügig. Dennoch ist er insgesamt eckiger, während dieses Muster hauptsächlich aus Kurven und Windungen besteht.«
Ich betrachtete es noch eine Zeitlang, dann reichte ich ihr den Spiegel zurück.
»Ein interessanter Zauberbann, mit dem der Spiegel belegt ist«, bemerkte ich, denn ich hatte auch ihn eingehend betrachtet, während ich ihn in der Hand hielt.
»Und viel komplizierter, als du vermuten würdest«, erwiderte sie, »denn es ist mehr darin als nur Nebel. Schau!«
Sie ging zum Anfang des Musters, in die Nähe des großen Baums, wo sie eine Bewegung machte, als wolle sie den Fuß auf die helle Spur setzen. Bevor er jedoch dort ankam, knisterte eine kleine elektrische Entladung aufwärts und berührte ihren Schuh. Sie riß den Fuß schnell zurück.
»Es weist mich ab«, sagte sie. »Ich kann den Fuß nicht daraufsetzen. Versuch du es.«
In ihrem Blick lag etwas, das mir nicht gefiel, doch ich trat an die Stelle, wo sie gestanden hatte.
»Warum konnte dein Spiegel nicht ganz bis zum Mittelpunkt des Dings Vordringen?« fragte ich plötzlich.
»Der Widerstand wird offenbar stärker, je tiefer man hineingeht. Im Zentrum ist er am größten«, erklärte sie. »Was das Warum betrifft - ich weiß es nicht.«
Ich zögerte noch einen Augenblick lang. »Hat es außer dir schon mal jemand versucht?«
»Ich habe Bleys hierhergebracht«, antwortete sie. »Auch ihn hat es zurückgewiesen.«
»Und er ist die einzige andere Person, die es bisher gesehen hat?«
»Nein, ich brachte auch Random her. Aber er weigerte sich, es zu versuchen. Er sagte, ihm sei gerade nicht danach zumute, damit herumzuspielen.«
»Vielleicht eine weise Entscheidung. Trug er zu dem Zeitpunkt den Juwel?«
»Nein. Warum fragst du?«
»Aus reiner Neugier.«
»Laß uns sehen, wie es auf dich reagiert.«
»Na gut.«
Ich hob den rechten Fuß und senkte ihn langsam auf die Linie hinab. Etwa zwanzig Zentimeter darüber hielt ich inne.
»Ich habe das Gefühl, daß mich etwas zurückhält«, sagte ich.
»Seltsam. Bei dir gibt es keine elektrische Entladung.«
»Wenigstens ein kleiner Segen«, entgegnete ich und senkte den Fuß um einige weitere Zentimeter. Schließlich seufzte ich. »Nein, Fi. Ich kann nicht.«
Ich bemerkte die Enttäuschung in ihrer Miene.
»Ich hatte gehofft«, sagte sie, während ich den Fuß zurückzog, »daß noch irgend jemand außer Corwin fähig sei, es zu betreten. Bei seinem Sohn schien mir das am wahrscheinlichsten zu sein.«
»Warum ist es so wichtig, daß jemand darüberschreitet? Einfach nur, weil es da ist?«
»Ich glaube, daß es eine Bedrohung darstellt«, sagte sie. »Es muß erforscht werden, und man muß sich damit auseinandersetzen.«
»Eine Bedrohung? Warum?«
»Amber und Chaos sind die beiden Pole des Daseins, so wie wir es verstehen«, sagte sie, »und sie beherbergen das Muster und den Logrus. Seit einer Ewigkeit besteht so etwas wie eine Ausgewogenheit. Jetzt, so glaube ich, hat dieses Bastard-Muster deines Vaters die beiden aus dem Gleichgewicht gebracht.«
»Inwiefern?«
»Es bestand schon immer ein wellenartiger Ausgleich zwischen Amber und Chaos. Durch dieses Muster scheint eine Störung aufgetreten zu sein.«
»Für mich hörte es sich eher so an, als sei ein zusätzlicher Eiswürfel in einen Drink geworfen worden«, entgegnete ich. »Nach einer Weile wird er damit verschmelzen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Hier verschmilzt nichts.
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