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Amelia Peabody 04: Im Tal der Sphinx

Titel: Amelia Peabody 04: Im Tal der Sphinx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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der koptischen Kirche Bestand.
    Das Dorf wirkte verlassen. Selbst die Hunde hatten Schutz vor der glühenden Sonne gesucht, und außer ein paar pickenden Hühnern bewegte sich nichts. Fremde sind an diesen ursprünglichen Orten allerdings eine solche Seltenheit, daß unsere Ankunft rasch bemerkt wurde und die Menschen sich aus ihren Häusern vorwagten. Wir ließen uns neben dem Brunnen, dem Zentrum des Gemeinschaftslebens, nieder. Uns gegenüber befanden sich die Kirche und das Haus des Geistlichen.
    Die Männer versammelten sich um Emerson, begrüßten ihn herzlich und stellten ihm Fragen. Die Frauen eilten zu mir, viele trugen kranke Babys in den Armen. Damit hatte ich gerechnet und deshalb meine medizinische Ausrüstung eingepackt. Nun verteilte ich Brechwurz und Augentropfen.
    Der Scheich El Beled (Bürgermeister des Ortes) hatte unsere Ankunft natürlich ebenso schnell wie die anderen bemerkt, doch seine Amtswürde gemahnte ihn, daß er sich erst nach einer Weile zu uns gesellte. Schließlich tauchte er bei uns auf. Als Emerson ihm mitteilte, daß ihm die verschwundenen Abendmahlskelche wieder ausgehändigt werden würden, traten Tränen in die Augen des kleinen Mannes, und er fiel vor Emerson auf die Knie, küßte dessen Füße und stammelte Worte des Dankes.
    Um ehrlich zu sein, hätten wir den Dank, der uns eigentlich nicht zustand, ablehnen müssen. Andererseits bestand keine Notwendigkeit, eine Situation zu erklären, die für uns selbst unerklärlich war.
    Als sich die Neuigkeit unter den Anwesenden verbreitet hatte, brach ein ungeheurer Tumult aus. Die Leute weinten, schrien, sangen und lagen sich in den Armen. Sie umarmten auch Emerson, der das wenig begeistert ertrug. »Lächerlich«, raunte er mir über den Kopf einer mehr als übergewichtigen Dame zu, deren verschleiertes Gesicht an seine Brust gepreßt war. Ich glaube, sie verströmte ihren gesamten Tränenvorrat in dieser muskulösen Körperregion, während sie ihn so fest gepackt hielt, daß er ihr nicht entkommen konnte.
    »Da siehst du es, Peabody«, fuhr er fort, »die zerstörerische Wirkung des Aberglaubens. Diese Leute gebärden sich, als hätten wir ihnen Gesundheit und Unsterblichkeit verliehen, statt sich darüber im klaren zu sein, daß es sich nur um ein paar alte, angelaufene Gefäße handelt. Das werde ich nie verstehen – äh …« Er brach stotternd ab, da sich die Dame auf Zehenspitzen gestellt und ihm einen feuchten Kuß auf sein Kinn gedrückt hatte.
    Schließlich beruhigten wir die Menge und brachen in Begleitung des Bürgermeisters zur Kirche auf. Auf den Stufen stand, die Hände zum Dank erhoben, der Geistliche, und es war seltsam, seine Körperfülle und den freundlichen Gesichtsausdruck statt des (in jeder Hinsicht, nur nicht im moralischen Sinne) großartigen Vaters Girgis zu erblicken. Alle – einschließlich der Esel – stürmten in die Kirche, und als die kostbaren Kelche wieder auf dem Altar standen, brach ein solches Geschrei aus, daß die Dachbalken vibrierten – was aufgrund ihrer Altersschwäche allerdings nicht verwunderte. Freudentränen strömten über das Gesicht des Geistlichen, und er kündigte für den folgenden Tag einen Dankgottesdienst an. Dann lud er uns und den Bürgermeister in sein Haus ein.
    So betraten wir erneut das Gebäude, in dem uns einst der Meisterverbrecher persönlich begrüßt hatte. Die Erinnerung an diesen berüchtigten wie skrupellosen Mann und seine Aura waren so eindringlich, daß ich jede Sekunde damit rechnete, er säße irgendwo im Verborgenen, striche über seinen riesigen, schwarzen Bart und lächelte sein charismatisches Lächeln. Es ist eine merkwürdige und beunruhigende Tatsache, daß das Böse manchmal wesentlich beeindruckender wirkt als die Tugend. Gewiß hatte der Meisterverbrecher als Mann Gottes eine stattlichere Erscheinung verkörpert als sein Nachfolger. Vater Todorus war einen Kopf kleiner und dafür um einiges feister um die Hüften. Sein Bartwuchs war eher dürftig und von grauen Fäden durchzogen.
    Allerdings war er ein angenehmer Gastgeber. Wir ließen uns auf dem Sofa mit den abgewetzten Seidenkissen nieder, und der Geistliche bot uns Erfrischungen an, die wir selbstverständlich annahmen, da eine Ablehnung äußerst ungehörig gewesen wäre. Ich erwartete das übliche Getränk – den starken, süßen Kaffee – und war natürlich mehr als überrascht, als der Geistliche mit einem Tablett aus dem Nebenraum zurückkehrte, auf dem eine Glasflasche und mehrere

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