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Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod

Titel: Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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unhöflich zu dir?«
    »Unhöflich?« Sie dachte über die Frage mit einer derart erwachsenen Kühle nach, daß es mir fast unheimlich war. »Ich weiß nicht, was ›unhöflich‹ bedeutet. Ist es unhöflich, Dinge zu sagen, die dem anderen das Gefühl geben, unbedeutend zu sein und häßlich und dumm?«
    »Sehr unhöflich«, erwiderte ich. »Doch wie kannst du dir nur solche Gemeinheiten zu Herzen nehmen? Du brauchst doch nur einen Blick in den Spiegel zu werfen, um zu sehen, daß du diese unscheinbaren kleinen Biester so überstrahlst wie der Mond die Sterne. Du meine Güte, jetzt hätte ich beinahe die Beherrschung verloren. Wie ungewöhnlich. Was haben sie denn gesagt?«
    Sie blickte mich forschend an. »Versprichst du, nicht gleich in die Schule zu laufen und sie mit deinem Sonnenschirm zu verprügeln?«
    Es dauerte einen Augenblick, bis ich erkannte, daß das Funkeln in ihren blauen Augen die Andeutung eines Lachens war. Sie machte fast nie Scherze, zumindest nicht mir gegenüber.
    »Oh – ja gut«, antwortete ich lächelnd. »Sie waren also eifersüchtig auf dich, diese häßlichen kleinen Kröten.«
    »Vielleicht.« Ihre grazilen Lippen kräuselten sich. »Ein junger Mann war auch dort, Tante Amelia.«
    »O guter Gott!« rief ich aus. »Wenn ich das gewußt hätte …«
    »Miss McIntosh wußte ebenfalls nicht, daß er kommen würde. Er suchte nach einer geeigneten Schule für seine Schwester, deren Vormund er ist, und äußerte den Wunsch, einige der anderen jungen Damen kennenzulernen, um herauszufinden, ob sie geeignete Kameradinnen für sie wären. Er muß sehr reich sein, weil Miss McIntosh äußerst höflich zu ihm war. Auch sah er sehr gut aus. Eines der Mädchen, Winifred, begehrte ihn.« Als sie meinen Gesichtsausdruck sah, erstarb ihr Lächeln. »Jetzt habe ich etwas Falsches gesagt.«
    »Äh – nicht etwas Falsches. Es ist nur nicht ganz der Ausdruck, den Winifred verwenden würde …«
    »Siehst du?« Mit einer gleichermaßen graziösen wie fremdartigen Geste breitete sie die Hände aus. »Ich kann nichts sagen, ohne solche Fehler zu machen. Ich habe nicht dieselben Bücher wie sie gelesen und auch nicht dieselbe Musik gehört. Ich kann nicht Klavier spielen und so singen wie sie, und ich beherrsche auch nicht diese Fremdsprachen …«
    »Das tun sie auch nicht«, schnaubte ich verächtlich. »Ein paar Brocken Französisch und Deutsch …«
    »Genug, um etwas zu sagen, das ich nicht verstehe, und dann schauen sie einander an und lachen. Das haben sie schon immer so gemacht, aber heute, als Sir Henry neben mir saß und mich ansah anstatt Winifred, war jedes Wort eine getarnte Beleidigung. Sie sprachen nur von Dingen, die ich nicht kenne, und stellten mir – zuckersüß freundlich – Fragen, auf die ich keine Antwort weiß. Winifred bat mich, zu singen, obwohl ich ihr zuvor bereits gesagt hatte, daß ich es nicht kann.«
    »Was hast du dann getan?«
    Nefret machte ein Gesicht, als könne sie kein Wässerchen trüben. »Ich habe gesungen. Ich habe die Anrufung der Isis gesungen.«
    »Die …« Ich mußte erst einmal schlucken. »Das Lied, das du in dem Tempel des Heiligen Berges gesungen hast? Hast du auch … getanzt, so wie damals?«
    »O ja, das gehört doch zu der Zeremonie. Sir Henry sagte, ich sei bezaubernd gewesen. Doch ich glaube nicht, daß Miss McIntosh mich noch einmal zum Tee einladen wird.«
    Ich konnte nicht mehr an mich halten. Ich lachte, bis mir die Tränen über die Wangen liefen. »Nun mach dir nichts draus«, sagte ich und wischte mir das Gesicht ab. »Du brauchst nicht mehr hinzugehen. Ich werde mit Helen ein Wörtchen reden! Warum habe ich nur auf sie gehört …«
    »Aber ich werde wieder hingehen«, sagte Nefret leise.
    »Nicht bald; erst dann, wenn ich gelernt habe, was ich wissen muß, wenn ich die Bücher gelesen und ihre dummen Sprachen gelernt habe und wenn ich weiß, wie man seine Zunge im Zaum hält.« Sie beugte sich zu mir herüber und legte ihre Hand in die meine – für ein so zurückhaltendes Mädchen eine seltene und bedeutungsvolle Geste. »Ich habe nachgedacht, Tante Amelia. Dies hier ist meine Welt, und ich muß lernen, in ihr zu leben. Es wird nicht so schlimm werden, denn es gibt vieles, was ich unbedingt lernen möchte. Ich muß zur Schule gehen. Oh, nicht zu so einer, dort geht mir der Unterricht nicht schnell genug, und ich bin nicht – ganz – so tapfer, um jeden Tag solchen Mädchen gegenüberzutreten. Du sagst, ich besitze eine große Menge Geld.

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