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Amelia Peabody 11: Der Fluch des Falken

Titel: Amelia Peabody 11: Der Fluch des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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viktorianische Jungfrau, wenn er sie ansieht, und er überlegt sich nach wie vor fadenscheinige Ausreden, um uns loszuwerden, wenn er mit ihr allein sein will. Glauben sie wirklich, daß wir nicht wissen, wie sie zueinander stehen?«
    »Vielleicht gefällt ihnen dieses Spiel. Ich frage mich, ob wir Mutter überreden können, daß sie uns die Schlüssel für unsere Zimmer aushändigt.«
    »Ich werde darauf bestehen«, erwiderte Nefret entschieden. »Gib es zu, Ramses, sie rechnete damit, daß ich die Klinik besuchen würde, und hat dich angewiesen, mich zu begleiten.«
    »Nein. Ehrenwort.« Sein Vater hatte darauf gedrängt, obwohl es keineswegs erforderlich gewesen wäre. In der Tat gab es vermutlich keinen Stadtteil von Kairo, den Nefret nicht unbehelligt und angstfrei hätte aufsuchen können. Ein sentimentaler Mensch hätte behauptet, daß sie aufgrund ihres Engagements für die ärmsten Mitglieder der Bevölkerung tief verehrt wurde. Ramses, dem jede Sentimentalität fehlte, vermutete eher das Gegenteil. Die meisten ägyptischen Männer verachteten Frauen grundsätzlich und Prostituierte im besonderen. Sie hatten keine Einwände dagegen vorgebracht, als sie in el Was’a ein öffentliches Krankenhaus für gefallene Mädchen eröffnen wollte, sie deshalb aber mit Sicherheit auch nicht bewundert. Nein; Nefrets Immunität hing teilweise mit ihrer Nationalität zusammen und mehr noch mit den unverblümten Hinweisen, die er und David in gewissen Gegenden geäußert hatten – ganz entscheidend jedoch hatte sie mit der Tatsache zu tun, daß sie unter dem Schutz des berühmt-berüchtigten Vaters der Flüche stand. Sie passierten die koptische Kirche – ein weiteres Paradoxon, wie die Moralisten erklärten – und schlenderten in Richtung Ezbekieh und Sharia el Kamal. Ramses blickte auf seine Taschenuhr.
    »Wir sind spät dran. Sicherlich warten sie schon auf uns.«
    Doch das war nicht der Fall. Während die Minuten verstrichen, wurde Nefret immer nervöser. »Irgend etwas stimmt da nicht«, erklärte sie.
    »So rasch können sie noch nicht in Schwierigkeiten stecken«, wandte Ramses ein, um sie beide zu beschwichtigen. Er kannte seine Mutter. »Selim ist bei ihnen –« »Tante Amelia schafft es immer und überall, Schwierigkeiten heraufzubeschwören.« Sie kniff die Augen zusammen und überlegte. »Du denkst doch nicht etwa, daß sie uns angelogen haben? Vielleicht sind sie gar nicht nach Zawiet el-Aryan aufgebrochen. Vielleicht haben sie sich auf die Jagd nach dem Fälscher begeben!« Sie schob ihren Stuhl zurück. »Es ist besser, wir suchen sie.« »Und wo? Sei doch vernünftig, Nefret. Es ist wesentlich wahrscheinlicher, daß Vater auf etwas Interessantes gestoßen ist und jegliches Zeitgefühl verloren hat. Du weißt doch, wie er zu seiner Arbeit steht, und Mutter ist fast noch schlimmer. Er würde nicht zulassen, daß sie in Schwierigkeiten gerät.«
4. Kapitel
Ein Engländer, der in den arabischen Ländern Schwäche zeigt, wirft einen Schatten auf seine gesamte Nation und gefährdet damit seine Landsleute. Unsere unantastbare moralische Überlegenheit ist unsere einzige Waffe gegen die undisziplinierten Wilden.
    Das Wissen, daß Ramses Nefret in eine der übelsten Gegenden der Stadt begleiten würde, beruhigte mich etwas, obwohl sie vermutlich überall in Kairo sicherer aufgehoben war als in London oder Paris. Es gab keinen Missetäter in Ägypten, der nicht den Zorn des Vaters der Flüche fürchtete, keinen Schurken, dem nicht bewußt war, daß Emersons Gattin und Adoptivtochter unantastbar waren. Wie Emerson es einmal mit seinen poetischen Worten umschrieben hatte: »Sollte ihnen auch nur ein Haar gekrümmt oder eine Falte ihres Kleides zerknittert werden, dann reiße ich dem Burschen bei lebendigem Leibe die Eingeweide heraus.«
    Darum brauchte ich mir also keine Sorgen zu machen. Hinsichtlich Nefrets Unternehmung beruhigt, stand ich noch vor Sonnenaufgang auf, so daß wir bei Tagesanbruch nach Zawiet el-Aryan aufbrechen konnten. Ich verspürte den vertrauten archäologischen Nervenkitzel, während ich Stiefel, Hose sowie meine Arbeitsjacke mit den unzähligen Taschen anzog und meinen Gürtel umschnallte, der eine ganze Reihe nützlicher Utensilien enthielt – eine kleine Flasche Brandy, eine Wasserflasche, Streichhölzer und Kerzen, Schere, Zwirn, um nur einige zu nennen. Emerson regte sich nach wie vor über diesen – wie er es ausdrückte – überflüssigen Schnickschnack auf, der beim Gehen einen

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