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Amelia Peabody 15: Der Herr des Sturms

Titel: Amelia Peabody 15: Der Herr des Sturms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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aus Angst, in ein Handgemenge zu geraten. Wir blieben stehen und lauschten.
    »Kennst du den?«, wollte Emerson von Ramses wissen, der seinerzeit in irgendeine Geschichte mit einer dieser nationalistischen Gruppen verwickelt gewesen war.
    »Gute Güte, das ist Rashad!«, entfuhr es Ramses. »Das Letzte, was ich weiß, ist, dass er im Gefängnis war.«
    Der Redner entdeckte ihn im selben Augenblick und brach mitten im Satz ab. Seine wutblitzenden Augen schweiften von Ramses zu Emerson, beide aufgrund ihrer Größe unübersehbar. Ich umklammerte meinen Sonnenschirm fester.
    Rashad bleckte die Zähne und deutete hektisch auf Ramses, doch bevor er etwas sagen konnte, schrie einer der Umstehenden: »Seht mal, der Vater der Flüche und sein Sohn, und die Sitt Hakim, seine Frau, und das Licht von Ägypten. Willkommen! Seid ihr hier, um für uns und unsere Sache zu sprechen?«
    »So ist es«, übertönte Emerson den Begrüßungschor. »Aber Emerson!« Ich packte ihn am Arm.
    »Na ja, vielleicht auch nicht«, räumte Emerson ein.
    Seine Stimme nahm eine beeindruckende Lautstärke an, die ihm – zusammen mit seinem Faible für einen indiskutablen Wortschatz – seinen ägyptischen Beinamen eingebracht hat. »Verschwindet, meine Freunde, und nehmt Rashad mit. Die Polizei ist im Anmarsch.«
    Ein Trupp berittener Männer galoppierte an den Ort des Geschehens, wie üblich angeführt von einem britischen Offizier. Bevor Rashad weglief, drehte er sich noch einmal zu uns um. Seine Lippen bewegten sich. Es war schon gut, dass wir keinen Ton verstanden, denn seine erzürnte Miene verhieß nichts Gutes. Als die Polizeischwadron eintraf, waren alle fort.
    Vielleicht sollte ich an dieser Stelle meine weniger gut informierten Leser (eine kleine Minderheit, die aber trotzdem Berücksichtigung finden sollte) über die historischen Hintergründe aufklären und ausführen, warum ein englischer Offizier ägyptische Truppen befehligte und warum Kairo ein Schmelztiegel der Revolte war. Obschon formal eine Provinz des Osmanischen Reiches, stand Ägypten seit Mitte des 19. Jahrhunderts unter britischer Kontrolle. 1914 war es zu britischem Protektorat unter militärischer Besetzung erklärt worden, da die Türken den Suezkanal bedrohten und zu befürchten stand, dass die Ägypter ihre muslimischen Glaubensbrüder gegen eine verhasste Besatzungsmacht unterstützen würden. Diese Befürchtungen hatten sich bis auf einen kleinen Zwischenfall in Kairo nicht bewahrheitet. Mütterlicher Stolz veranlasst mich zu dem Hinweis, dass der Aufstand von Ramses niedergeschlagen wurde, der in die Rolle des radikalen Nationalistenführers Wardani geschlüpft war, um die Waffenlieferungen der Türken an Wardanis Gruppe zu stoppen. Wären er und David nicht gewesen, wäre der Kanal vielleicht sogar in Feindeshand gefallen.
    Langer Rede kurzer Sinn: Was Ägypten wollte, war die Unabhängigkeit von England, der Türkei und auch jeder anderen Nation. Und nach Kriegsende verschärften sich die diesbezüglichen Forderungen der ägyptischen Nationalisten.
    Die Reaktion der Engländer war alles andere als wohl überlegt gewesen. Ein schlimmer Fehler war die Ausweisung von Nationalistenführer Saghlul Pascha. Der hoch gewachsene, eindrucksvolle Mann war ein begnadeter Redner und bei den Ägyptern sehr beliebt. Als die Nachricht von seiner Deportation bekannt wurde, brachen überall in Ägypten Unruhen und Demonstrationen aus. Diese Gewalttätigkeit entsetzte uns natürlich über die Maßen, auch wenn der Aufstand in Oberägypten zu Beginn des Jahres uns nicht persönlich berührt hatte. Unsere ägyptischen Freunde waren zu vernünftig, um sich an einer solch aussichtslosen, brutalen Revolte zu beteiligen, und außerdem hätte es niemand gewagt, dem Vater der Flüche und dessen Familie Unannehmlichkeiten zu bereiten.
    Die Rebellion wurde gewaltsam niedergeschlagen. Saghlul Pascha wurde befreit und reiste nach Paris, wo die Friedenskonferenz der Alliierten über das Schicksal der eroberten und besetzten Gebiete entschied. Saghluls Forderungen wurden übergangen. Die britische Regierung bestand auf einer Aufrechterhaltung des Protektorats. Das Ergebnis waren weitere Ausschreitungen, gelegentliche Übergriffe auf Touristen und Redner wie Rashad, die die Bevölkerung aufwiegelten. England hatte sich bereit erklärt, eine hochrangig besetzte Forschungskommission unter Lord Milner einzusetzen, doch nur wenige glaubten, dass sein Bericht die von Ägypten angestrebten Veränderungen

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