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Amerikanische Reise

Titel: Amerikanische Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Woelk
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vor ihnen abwärts, dann das nächste Gitter und die über die Wand dahinter ziehenden Schatten. Über ihnen
     in der Deckenmitte pendelt langsam eine Glühbirne, an deren Glaskolben |74| Mücken kleben. Die Kabine stöhnt, als sei sie Aufwärtsfahrten nicht gewohnt. Das trockene Leiern ungefetteter Winden – eine
     verlassene Schaukel, die in rostigen Haken schwingt. Jan kommt es vor, als werde der Fahrstuhl langsamer und langsamer, je
     mehr Stockwerke sie hinter sich lassen, sechs oder sieben jetzt. Die Vorstellung, daß es wenige Zentimeter unter seinen Schuhsohlen
     zwanzig Meter abwärts geht. Das Quietschen wird lauter, sie müssen sich den Rollen nähern, über die die Seile laufen. Das
     nächste Gitter, dann ein Ruck, und die Kabine steht. Kristin öffnet, sie betreten den Gang, ein schmaler, waagerechter Schacht
     ohne Leben, daß man sich fragt, wie so ein Vakuum überhaupt existieren kann in einer Großstadt. Wenn wenigstens die Wände
     beschmiert gewesen wären. Eine einzige Botschaft als Beweis für die Existenz der Welt. Kristin geht voraus, öffnet eine Tür,
     kein Zimmer, sondern ein Treppenhaus mit narbigem Putz, eine Mondoberfläche, die noch kein Mensch betreten hat, ein paar Insekten
     höchstens, Silberfische, die in den Kratern hausen. Rechts ein Geländer aus dünnen Metallrohren und grauem Maschendraht. Staubige
     Stufen, mit jedem Schritt schlechter zu erkennen, weil die Treppe kein eigenes Licht hat oder die Glühbirnen durchgebrannt
     sind. Kristins Leinenschuhe. Sie bleibt stehen, das Schnappen eines Riegels, dann öffnet sie eine Tür, und Jan folgt ihr auf
     das Dach. Die Stadt kehrt zurück, bleibt aber im Hintergrund, ein zurückhaltendes Konzert des nächtlichen Verkehrs.
    Kristin geht zum Rand des Daches und bleibt vor einem kniehohen Mäuerchen stehen. Jan stellt sich neben sie, etwa einen halben
     Meter vom Rand entfernt. Trotz des Mäuerchens würde er ungern weiter gehen. Die Stadt liegt vor ihnen wie ein Neonschachbrett.
     Die Wolkenkratzer ragen aus der Hügellandschaft der Dächer. Sie stehen eine |75| Weile nebeneinander, dann geht Kristin zurück in die Mitte des Daches und setzt sich auf einen Backsteinsockel. Jan sieht
     sie an, ihre Silhouette in der gelblichen Nacht. Sie steht wieder auf. Ihre Nervosität. Sie geht zum Treppenhaus und lehnt
     sich dort gegen die Wand, als warte sie auf etwas. Er weiß, worauf sie wartet, und es gibt kein Zurück mehr, er wird Walter,
     seinen Freund, betrügen. Bereits als er sie im Wohnungsflur wiedergesehen und sie umarmt hat, das Kartenhaus, hat er es gewußt.
     Er hat es bereits vor vier Jahren gewußt, als sie voreinander standen und rauchten, während Walter seine Zeitungen gekauft
     hat. Jan geht auf Kristin zu. Es ist immer noch warm und schwül. Kristin steht eine Armlänge vor ihm, und diesmal wird er
     sie nicht wieder ziehen lassen, und auch sie denkt nicht daran, ihm den Rücken zu kehren und das Dach zu verlassen, zurück
     in den Gang, den Fahrstuhl. Sie bleibt vor ihm stehen mit ihrem Jackett, ihrer Bluse, von der jetzt drei Knöpfe offenstehen,
     und ihrem Rock, der etwas höher gerutscht ist, wie zufällig. Es überrascht Jan, daß sie das Spiel mit Virtuosität spielt.
     Sie legt den Kopf leicht zurück und sieht ihn an. Jan bewegt sich den letzten Schritt auf sie zu und beugt sich vor, ihre
     Lippen sind überraschend rauh. Er fährt mit den Händen den Rock entlang über ihre Hüften, erreicht den Stoffsaum und schiebt
     ihn langsam über die Haut ihrer Taille entgegen. Sein Blick wandert über ihren Mund und ihren Hals zu ihren Händen, die die
     Bluse aufknöpfen bis zum Bund des Rocks, aber sie schiebt die Stoffbahnen nicht auseinander. Sie legt ihre Arme um Jans Nacken.
     Und während er ihr langsam den Slip herunterstreift, weiß er, welches Bild ihn erwartet, ihre sandige Scham, über die sie
     seinerzeit in den weißen Dünen ihre Jeans gezogen hat, und einen Moment lang ist Jan gelähmt. Sie wird ungeduldig und erwartet
     von ihm, daß er weitermacht, |76| daß er ihr den Slip auszieht und ihre Scham endlich befreit. Sie rüttelt an ihm und rüttelt und ruft seinen Namen.
     
    Auf Jans Netzhaut plätschern Lichtbächlein, zerstäubte Autoscheinwerfer, die langsam Konturen gewinnen. Die Stimmen dagegen
     sind deutlich, allerdings noch ohne das bindende Etikett, real zu sein,
must have been a nice dream,
hört er und wieder das helle Lachen. Sein Körper ist ein Geflecht aus überdehnten und verspannten

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