Amnion 2: Verbotenes Wissen
Zonenimplantat-Kontrollgerät.
Ein leises Wimmern, das ein Aufheulen hätte sein müssen, entrang sich Morns rauher Kehle.
»Du bist zu lange ohne Bewußtsein gewesen. Wahrscheinlich hast du Hunger und Durst, aber was du als erstes brauchst, ist ’ne Dusche. Du riechst, als hättest du fünf Kilo Scheiße in der Montur. Komm, ich helf dir beim Aufstehen.«
Morn merkte, wie er die Anti-G-Gurte aufschnallte, sie sich lockerten. Dann zog er sie an den Armen in die Höhe.
Die Aufwärtsbewegung hätte sie vielleicht genügend strapaziert, um ihr das Lebenslicht auszublasen, wäre sie noch hinlänglich bei Kräften gewesen, um die ganze Gewalt des Rucks zu spüren. Doch zum Glück half Nick ihr in mehr als einer Hinsicht. Sein Zupacken stellte sie auf die Beine; und als er ›Dusche‹ sagte, dachte sie unwillkürlich an Wasser. Trotz ihrer Entkräftung trieb die Gier nach Wasser sie vorwärts. Am verschwommenen Fleck seines Gesichts und an den Schemen der Wände vorbei taumelte sie in Richtung Hygienezelle.
Ohne Morn anzurühren zerrte Nick die Verschlüsse ihrer Bordmontur auf; er stieß sie in die Duschkabine und schaltete die Sprühdüsen an.
Wasser.
Sie riß den Mund auf, schluckte soviel sie konnte. Die Wasserstrahlen flößten ihr neues Leben ein. Das Wasser befeuchtete ihre Augen, rann ihr durch die Kehle; ihr Körper schien es aufzusaugen, ehe es den Magen erreichte. Schon nach einem Moment hatte ihre Bordmontur soviel Nässe aufgesaugt, daß das Gewicht ihr das Kleidungsstück von den Schultern zog. Die verschmuddelte, übelriechende Montur rutschte ihr hinab auf die Stiefel. Wasser strömte durch Morn und hinaus; es wusch ihr Fleisch und die Nerven. Binnen kurzer Zeit hatte es sie soweit wiederhergestellt, daß sie begriff, falls sie zuviel trank, bekäme es ihr möglicherweise schlecht.
Nick war zurückgekehrt. Er hatte das Zonenimplantat-Kontrollgerät abgeschaltet und geglaubt, sie dadurch aus einer Katatonie zu wecken.
Die Käptens Liebchen mußte mittlerweile das Bremsmanöver beendigt haben. Sie hätte niemals so lange geschlafen, um dermaßen hungrig und durstig zu werden, sich derartig zu verdrecken, hätte das Raumschiff nicht die Abbremsphase beendet.
Oder etwas anderes hatte sich ereignet.
Sie mußte wach bleiben. Sie benötigte Essen und Stärkung.
»Penn mir da drin nicht ein«, hörte sie Nicks Stimme durch die Duschstrahlen. »Ich habe keine Lust, hier ewig zu warten.«
Seine Stimme klang keineswegs nach Ungeduld.
Morn lehnte sich an die Wand, bückte sich und warf die Stiefel ab, streifte die Bordmontur von den Füßen. Sie bebte, während ihr Körper sich umgewöhnte, von wiederholtem Schaudern, als hätte sie Schüttelfrost: Sie erhöhte die Wassertemperatur, um sie zu vertreiben.
Das Summen einer Automatik warnte sie: Der Abfluß der Duschkabine war verstopft. Um ihn freizumachen, schob sie die durchnäßte Bordmontur beiseite. Morn hätte sich gerne die Haare gewaschen, sich gründlich eingeseift und abgebürstet; aber Nick wartete auf sie, und sie hatte keine Ahnung, warum eigentlich. Obwohl sie kaum erst wieder stehen konnte, drehte sie das Wasser ab und stieg aus der Duschkabine.
Eine saubere Bordmontur lag bereit. Nick mußte sie für sie aus dem Wandschrank geholt haben.
Weshalb tat er das alles?
Schwächlich trocknete sich Morn, kleidete sich neu an und kehrte in den Hauptraum der Kabine zurück, um sich dem zu stellen, was als nächstes drohte.
Sie traf Nick in einer Laune an, die an das sture Gleichmaß eines Geisteskranken erinnerte.
Sein Blick fiel auf sie, huschte fort, glitt durch die Kabine; erfaßte erneut ihre Gestalt, ihre Gesichtszüge. Andeutungen der Leidenschaft durchglommen seine Narben. In Abständen zuckte in seiner Wange ein Muskel, hob die Lippen von den Zähnen. Und doch vermittelte seine Haltung, die Weise, wie er die Arme hielt, ja sogar der Winkel seines Nackens im Verhältnis zum Körper, einen Eindruck, als befände er sich in einer Stimmung tiefer Gemütsruhe, wäre er in einem Maß mit sich selbst im reinen, wie sie es bei ihm noch nie beobachtet hatte.
Als hätte er einen vollständigen Sieg errungen – oder sich mit einer vollkommenen Niederlage abgefunden.
»So ist’s besser«, sagte er, während sie ihn musterte, zu erkennen versuchte, wie es momentan zwischen ihnen stand. »Und nun solltest du was essen.«
Mit einem knappen, gelassenen Nicken wies er auf ein neben ihm abgestelltes Tablett.
»Setz dich«, fügte er hinzu. »Iß.
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