Amore macchiato: Roman (German Edition)
zögere ich und vermeide es, sie anzusehen.
»Du findest den Typen gut, gib’s zu!«, hakt Paula nach.
»Lass mich«, wehre ich ab.
»Du hast also heute ein Date«, stellt Paula fest und stützt die Ellenbogen auf dem Tisch auf. »Dann will ich heute auch eins!«
»Kann man so was irgendwo bestellen?«, frage ich und muss grinsen.
»Lach du nur.« Paula legt den Kopf schief und guckt verträumt in die Ferne. »Ich werde heute Abend mal gehörig auf die Jagd gehen. Lang, lang ist’s her.«
9.
Am frühen Abend breche ich in Richtung Nuoro auf.
Ich wollte es vor Paula und vor allem vor mir selbst nicht zugeben, aber: Ich bin so aufgeregt wie vor einer Klassenarbeit. Die lange Fahrt vom Hotel ins Hinterland macht die Sache nicht besser. Zu viel Zeit zum Nachdenken.
Der Wagen heult auf, als ich auf die Auffahrt der Schnellstraße zusteuere und den vierten mit dem zweiten Gang verwechsle.
Reiß dich zusammen, Annika. Du führst dich auf wie ein Teenager. Stattdessen bist du lediglich von jemandem, dem du einen Gefallen getan hast, zu einem Teller Nudeln mit Igelglibber eingeladen. Alles in bester Ordnung.
Nix Besonderes.
Ich schalte erneut, und der Wagen hoppelt wie ein verstörter Hase. Ich halte die Kupplung gedrückt und bremse erschrocken. Aua, ich bin offenbar aus der Übung – wann musste ich bitte schön zuletzt ein Auto mit Gangschaltung fahren? Warum werden die überhaupt noch gebaut ? Egal, ein Gefährt von GID wird eine kleine Getriebepiekserei von mir hoffentlich vertragen können.
Inzwischen habe ich die Küstenregion verlassen und fahre auf der Schnellstraße nach Nuoro ins Landesinnere, genau wie Riccardo mir den Weg beschrieben hat. Seine E-Mail dazu habe ich vorsichtshalber ausgedruckt auf den Knien liegen.
Die Straße führt durch ein langgezogenes, kaum bewohntes Tal. Zu beiden Seiten erheben sich riesige, sanft geschwungene Bergmassive. Auch hier blüht es überall gelb und lila, Büsche und Bäume stehen im saftigen Frühlingsgrün, und direkt vor mir geht langsam die Sonne unter, die die Berge wunderschön anstrahlt. Und mir direkt ins Gesicht, sodass ich kaum geradeaus gucken kann. Daher fahre ich langsam, schaue nach links und rechts aus dem Fenster und denke weiter nach.
Noch immer bin ich tief erschüttert von dem Telefonat mit diesem hochignoranten Bräunlich und der Info, dass Markus jetzt bei uns in der Abteilung arbeitet. Prinzipiell verrichtet er zwar ähnlichen Kram wie in seinem letzten Job, dafür ist er aber näher dran. Zu nah dran.
Mir bleibt echt nichts erspart.
Darüber hinaus bin ich sonderbarerweise erstaunlich zuversichtlich, was die Aufbauten und die Anträge betrifft. Pittalis und Signora Alberti geben mir irgendwie das Gefühl, dass wir das Projekt doch noch stemmen könnten. Zugegeben: An den Bearbeitungszeiten der Behörden müssten wir noch ein bisschen drehen, aber wenn Pittalis behauptet, seine Verwandte werde das schon richten? Mir bleibt nichts anderes übrig, als ihm zu vertrauen. Schließlich kennt er das Prozedere hier besser, als ich es jemals kennen könnte.
Die nächste Ausfahrt muss ich runter: Nuoro La Solitudine . Nuoro Die Einsamkeit.
Wie nett. Da würde ich auch gerne wohnen.
In der Tat: Der nächste Wegweiser zu dieser freudlosen Destination ist mit Revolverkugeln durchsiebt. Soll ich das nun als Indikator für eine hohe Depressions- oder eher Verbrechensrate werten?
Tapfer fahre ich weiter und schlängele mich über eine Serpentinenstraße immer höher und höher in die angekündigte Einsamkeit. Kein Mensch, kein Auto weit und breit. Wenn ich hier eine Reifenpanne habe, kann ich die Nacht unter den Bäumen am Wegesrand verbringen.
Na ja, oder ich rufe Riccardo an.
Wieder dieses Kribbeln im Bauch.
Nach gut einer Viertelstunde folge ich der Beschilderung hinter einer kleinen Landkirche, wie es mir Riccardo beschrieben hat. Ich muss scharf links abbiegen und würge erneut den Wagen ab, als es auf einem Schotterweg noch steiler bergauf geht. Ein paar Mal fahre ich rechts und links durch ein Waldgebiet und komme vor einer kleinen, verlassen Kirche zum Halten.
Ich steige aus.
Immer noch keine Menschseele zu sehen. Von ferne bellt ein Hund. Ein heftiger Wind weht, der die Stille hier noch lauter macht.
Ich laufe einen Kiesweg entlang auf die Kirche zu. Sie ist aus Kalksandstein gebaut, einfach verputzt und beige gestrichen. Die Eingangsportale an der Seite stehen offen. Von drinnen dringt kühle, leicht muffig riechende Luft heraus.
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