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An einem Tag im Januar

An einem Tag im Januar

Titel: An einem Tag im Januar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Coake
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für die Zwischenprüfung ausreichte. Chloe war hübscher und gescheiter als er, ein besserer Mensch. Bevor er sie kannte – das wusste er jetzt –, hatte er nicht wirklich gelebt. Chloe redete gern wehmütig über sein Leben vor ihrer Zeit, als hätte sie etwas verpasst dadurch, dass sie ihn vorher nicht gekannt hatte. Aber das war Marks Geheimnis, sein schändliches Geheimnis: Vor Chloe hatte es keinen Mark gegeben, den zu kennen sich gelohnt hätte. Der Mann, zu dem sie ihn gemacht hatte, war so unbeleckt, so naiv, so leichtgläubig wie ein Kleinkind.
    Er wusste sehr wohl, was sie wollte, weil er es auch wollte. Leben . Ein Haus. Ein Kind: sie beide unauflöslich vereint in Fleisch und Blut und Geist.
    Er fasste nach ihr. Nahm ihre Hände. Sagte den Satz, den er schon so oft für sich geübt hatte: Heirate mich.
    Mark legte den Gang wieder ein, fuhr an. Nur ein Ziel fehlte jetzt noch. Er bog einmal ab, zweimal. Der Volvo rumpelte über das Kopfsteinpflaster, die Häuser rechts und links wuchsen höher und höher. Bitte komm. Bitte komm.
    Und da kam es in Sicht: ihr altes Haus. Das dunkel wirkte, kalt. Durch die halbrunden Fenster des Turms war ein einsames Licht im oberen Flur zu ahnen, alles andere lag im Dunkeln. Mark fuhr vorbei, einmal um den Kreisverkehr herum, und hielt dann gegenüber, auf der Seite zum Park. Er atmete keuchend durch die Nase, als wäre er gerannt.
    Mit dem Lämpchen an seinem Handy las er nochmals Chloes Brief. Dann starrte er zum Haus hoch. Zu dem dunklen Fenster von Brendans Zimmer.
    Ist es wahr? Bist du da?
    Keine Antwort. Aber eine andere Stimme konnte ihm Antwort geben.
    Er klappte das Handy auf und wählte Chloes Nummer.
    Während es bei ihr klingelte, sah er verwundert, wie in einem der Wohnzimmerfenster etwas aufleuchtete. Kein richtiger Lichtschein, nur ein winziger bläulicher Schimmer gleich über dem Fensterbrett, der der weißen Gardine dahinter einen perlmuttglänzenden Hof aufmalte.
    Chloe meldete sich. Ihr »Hallo?« angespannt, ängstlich.
    »Hallo?«, sagte sie noch einmal. Dann: »Mark? Bist du das?«
    »Ja, ich bin’s«, sagte er.
    Im Wohnzimmerfenster ging eine Lampe an. Daneben wurde eine Silhouette sichtbar, eine Hand, die gleich wieder verschwand. Und Mark begriff – ungläubig –, dass da hinter dem Fenster Chloe war. Sie war in ihrem alten Haus, im Dunkeln. Sie hatte das bläuliche Display ihres Handys hochgehalten. Sie hatte das Licht angeknipst. Es hätte ihn nicht überrascht, wenn sie die Gardine zurückgezogen und hinausgeschaut hätte zu ihm in seinem dunklen Auto. Wenn sie ihn gewittert hätte.
    Was machte sie bloß da drin? Connie ließ sie offenbar bei sich auf dem Sofa schlafen – wieso?
    »Mark«, sagte sie noch einmal. Ihre Schattenhand langte hoch und fuhr durch ihr Schattenhaar, als wüsste sie, dass er sie beobachtete.
    »Ich habe deinen Brief gekriegt«, sagte er. »Ich habe ihn bis zum Ende gelesen.«
    »Oh«, sagte sie. »Mein Gott. Du hast angerufen. Danke.«
    Sie stand auf. Ihr Schatten verschwand aus dem Fensterrahmen. Chloe hatte die Angewohnheit, beim Telefonieren auf und ab zu gehen, die freie Hand in die Hüfte gestemmt oder so ins Kreuz gedrückt, dass die Finger der Rundung ihres Gesäßes abwärts folgten.
    Sie wartete seine Antwort nicht ab. »Und – glaubst du mir jetzt?« Ihre Stimme klang so zärtlich, so sehnsüchtig wie die Worte in ihrem Brief.
    »Ich glaube dir, dass du es glaubst«, sagte er. »Das ist nicht …«
    »Ich weiß«, sagte sie, überstürzt. »Ich weiß, dass es schwer ist. Ich bin dir so dankbar, dass du anrufst. Es fühlt sich einfach so verkehrt an, es ohne dich zu machen.«
    »Ich …«
    Gleich der nächste Wortschwall: »Ich muss dich unbedingt treffen. Damit wir richtig darüber reden können.«
    Er bräuchte jetzt bloß auszusteigen und über die Straße zu gehen. Die Stufen zu seinem alten Haus hinaufzusteigen. Und zu klopfen, so leise, dass nur sie es hörte. Sie würde ihm öffnen.
    »Ich weiß nicht.« Er widerstand mühsam dem Drang, zu flüstern.
    Du hast mir gefehlt , würde sie dann vielleicht sagen. Ich brauche dich.
    Er sagte: »Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist.«
    »Ich schulde dir doch wenigstens noch eine Erklärung, ohne dass ich rumkreische wie eine Irre.«
    Sie bemühte sich um einen nonchalanten Ton, aber ihre Haltung dabei war steif und verkrampft, das sah er. Sie hatte panische Angst, dass er Nein sagen könnte.
    »Eine Frage«, sagte er. »Angenommen, ich würde dir

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