Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain
aufgetaucht. Diese fakultativen Kategorien wurden aber für Unfug gehalten, der einen Eintrag im ROTEN BUCH verdient.
Sich an die Grundkategorien haltend, begann die weise Menschheit, sich verschiedene Schwierigkeitsgrade des Spiels auszudenken: speziell für Männer, speziell für Frauen, speziell für gemischte Mannschaften. Und vor lauter Begeisterung über den voranschreitenden Prozeß der sozio-sexuellen Aufteilung merkte sie nicht, wie die Grenzen, welche anfangs gar nicht real, sondern mehr rituell und Teil eines Spiels waren, sich plötzlich von spielerischen in mehr als ernste Grenzen aus Stahlbeton verwandelt hatten, die weder der fortschrittlichste Verstand noch die allerbeste Waffe mehr zu durchbrechen vermochte.
Eine Näherin muß immer eine Frau sein. Um die Aufklärung von Verbrechen muß sich ein Mann kümmern. Schluß, aus, basta. Interessant ist, daß ein Mann durchaus Schneider oder Modeschöpfer sein kann. Yves Saint-Laurent, Wjatscheslaw Sajzew sowie der berühmte Haarstylist Vidal Sassoon sind ein Beispiel dafür. Und nicht weniger interessant ist, daß eine Frau sich mit Verbrechensbekämpfung beschäftigen kann.
Zwar gibt es fast mehr weibliche Polizeibeamte als männliche. Aber die Kriminalpolizei ist Männerdomäne, da hat ein dummes Weib nichts zu suchen. Denn was versteht man denn traditionell unter der Arbeit der Kripo? Fahndung unter persönlichem Einsatz, Hinterhalt, Verfolgungsjagden, Schußwechsel, Verhaftungen und ähnliches Schellengerassel, mit dem sich eine Bubenromantik Befriedigung verschafft. Mit solchem Schellengerassel locken auch literarische und journalistische Ergüsse sowie Balladen und Märchenerzählungen. Niemand spricht gern aus, daß die Aufdeckung von Verbrechen Kopfarbeit ist, die nicht viel Aufhebens von sich macht. Daß man, bevor man hinausgeht, um die Wundertricks der persönlichen Fahndung aus der Kiste zu lassen, erst mal stundenlang am Schreibtisch sitzen und konzentriert alle Orte und Adressen durchgehen muß, Biographien, Spitznamen, äußere Kennzeichen, besondere Rede- und Verhaltensweisen, und erst danach losgehen kann, ohne zu wissen wohin, und suchen, ohne zu wissen, wen. Daß man, bevor man in drei Autos mit Blaulicht losrast, um den bewaffneten Banditen mittels Revolver und aufgepumpten Muskeln zu schnappen, erst einmal mühselig und zeitraubend Informationen sammeln muß, um alle Bewegungen des Banditen nachzeichnen und in einer Art Synopse seinen morgigen Aufenthaltsort Vorhersagen zu können.
Ich finde es höchst aufschlußreich festzustellen, daß Menschen gern spielen. Das Leben jedoch enthält sich solcher Albernheiten und verläuft nach eigenen Regeln. Und zu diesen Regeln, denen das Leben folgt, gehört auch die Kriminalität. Deshalb ist es zwingend erforderlich, sich nicht von seinem kindischen Spieltrieb leiten zu lassen, sondern den normalen Gesetzen der Realität zu folgen. Und wenn es für die Verbrechensaufklärung notwendig ist, Informationen zu analysieren, sie zu sortieren und zu kombinieren, sie zu überprüfen und zu systematisieren, dann sollten wir das auch tun. Und nicht die analytische Arbeit auf denselben Haufen werfen wie alle anderen Tätigkeiten der Kriminalpolizei. Jeder sollte sich auf das konzentrieren, was er am besten kann, und nicht darauf, was ihm die GROSSE REGEL vorschreibt. Es darf dabei keinen Unterschied machen, mit welchem Buchstaben dein Geschlecht anfängt, mit ›m‹ oder mit ›w‹.
Viktor Alexe jewitsch Gordejew hatte schon vor langer Zeit eingesehen, daß die Gesetze des Lebens und die Regeln eines Spiels unvereinbar sind, und wo es die Umstände erlaubten, hatte er begonnen, seine neue Erkenntnis umzusetzen. Mittlerweile war er schon recht weit gekommen. Er hatte in seine Abteilung Leute geholt, von denen jeder einzelne irgend etwas sehr gut konnte. Wolodja Larzew, zum Beispiel, war ein hervorragender Psychologe und konnte Ratschläge geben, wie sie mit diesem oder jenem reden sollten, um aus ihm das Gewünschte herauszubekommen. Der immer zu Scherzen aufgelegte Kolja Selujanow kannte Moskau wie seine Westentasche, samt aller Hinterhöfe, versteckter Winkel und Sackgassen, und es gab keinen Besseren im Ausarbeiten von Routen, zu Fuß wie mit dem Auto. Der junge Mischa Dozenko mit den schwarzen Augen war unersetzlich in der Arbeit mit Augenzeugen, er ging so geduldig und akribisch mit den Aussagen um, daß er noch die kleinste Kleinigkeit herauskitzelte, die einer gesehen, gehört oder sich
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