Anastasija 02 - Der Rest war Schweigen
im Ausland, kaufte ihr luxuriöse Klamotten und brachte sie auf das Parkett der großen Welt. Nein, Irina Resnikowa hatte weiß Gott keinen Grund, sich über das Leben zu beschweren, das sie führte. Und vor ihr lag ein noch besseres und bequemeres Leben voller Reichtum.
Nachdem sie die Zwiebeln in die Marinade eingelegt hatte, begann sie, einen fetten, aromatischen Hering zu putzen. Artjom liebte es, zum Abendessen ein gutes Gläschen Wodka zu trinken, immer nur ein Gläschen, mehr erlaubte er sich niemals, aber die Vorspeise, die sie ihm zu diesem Gläschen reichte, mußte erstklassig sein. Außerdem wollte sie ihm süße, gefüllte Pfefferschoten servieren, als Hauptgericht gegrillten Stör und zum Tee warmen Krautkuchen. Er würde zufrieden sein.
»Häschen, denk an deine Medizin, in einer halben Stunde gibt es Abendessen!« rief Irina ihrem Mann aus der Küche zu. Sie achtete sorgsam darauf, daß er sich stets an die Anweisungen der Ärzte hielt.
Nach einer halben Stunde setzte Artjom sich an den Tisch, kippte schweigend sein Glas Wodka hinunter, nahm sich von dem Hering und ging zu den Pfefferschoten über. Sein Schweigen sagte Irina, daß er vorhatte, etwas Wichtiges mit ihr zu besprechen.
»Ist alles in Ordnung, mein Häschen?« fragte sie vorsichtig.
»Ich bin nicht sicher. Heute hat Sewa angerufen, er ist nervös.«
»Warum?«
»Er will Geld, darum. Wenn etwas schiefgeht, wird er es sein, den sie am Arsch packen. Darum beeilt er sich und will so viel wie möglich abzocken. Und die Kunden sind auch ungeduldig. Die machen mir auch Feuer unterm Arsch und drohen damit, daß sie sich nach einem anderen Lieferanten Umsehen werden, wenn ich mich nicht an die Spiegelregeln halte. Mit einem Wort, Druck von allen Seiten. Diese Idioten!« Er schlug grimmig mit der Gabel auf den Tisch. »Die Habgier ist es, die die Menschen umbringt, die Habgier.«
»Und was sollen wir machen, Häschen? Vielleicht hat es keinen Sinn, noch länger zu warten? Was sagen unsere Jungs?«
»Unsere Jungs haben den Verstand verloren, wie es scheint. Mit dieser Verkäuferin aus dem ›Orion‹ haben wir uns offenbar verrannt. Es scheint, daß sie mit unseren Angelegenheiten gar nichts zu tun hat, daß das Ganze ein Irrtum war. Und jetzt sitzen wir in der Scheiße. Oder die Jungs spielen irgendein falsches Spiel mit uns. An die Geschichte mit der Frau, die allen dreien gleichzeitig erschienen sein soll, glaube ich nicht. Ich bin durch und durch Materialist, mein Kätzchen, ich glaube nicht an Erscheinungen, und das ›Beamen‹ gibt es bis jetzt nur im Film. Ich habe die Fotos gesehen, die sie ihnen angeblich dagelassen hat, habe mit jedem von ihnen einzeln gesprochen, und stell dir vor, alle drei sagen haargenau dasselbe. Bis hin zu dem abgebrochenen Blütenblatt an ihrem Anhänger. Entweder haben sie sich perfekt abgesprochen, um mir einen Bären aufzubinden, oder der Teufel treibt seine Scherze mit uns. Doch da es keinen Teufel gibt, bleibt nur eine Antwort. Und die gefällt mir ganz und gar nicht.«
»Und was hast du beschlossen?«
»Ich habe beschlossen, noch zwei, drei Tage abzuwarten. Das Leben ist schließlich kostbarer als Geld, nicht wahr, mein Kätzchen?«
»Und du glaubst, daß uns in drei Tagen alles klar sein wird?«
» Ganz gewiß«, sagte Artjom entschieden.
2
»Ich verstehe nicht, wozu du das alles anzettelst!« Alexander Kamenskij schrie seine Halbschwester beinah an. »Ich möchte, daß du mir entweder genau erklärst, was vor sich geht, oder zugibst, daß du mich an der Nase herumführst.«
Nastja saß in ihrem Lieblingssessel in der Zimmerecke, sie hatte die Beine untergeschlagen und trug ein warmes Tuch um die Schultern. In der Wohnung war es kalt, wie immer, von Jahr zu Jahr konnte sie sich nicht dazu entschließen, die riesigen Spalten in der Balkontür abzudichten, und die Heizkörper waren meistens nur lauwarm.
Geduldig hörte sie ihrem aufgeregten Halbbruder zu, sie begriff, daß sie nicht mehr darum herumkommen würde, ihm irgendwelche Erklärungen abzugeben, und dazu hatte sie weder Zeit noch Kraft.
»Warum regst du dich so auf?« beschwichtigte sie ihn. »Ich gehe meinen beruflichen Pflichten nach und stelle nicht die geringsten Anforderungen an dich. Sascha, in Gottes Namen, beruhige dich, und laß mich in Ruhe arbeiten.«
»Arbeiten nennst du das!« fuhr er Nastja an. Sein bleiches Gesicht hatte sich vor Wut gerötet, das zerzauste helle Haar sträubte sich nach allen Richtungen. »Und nach
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