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Anatomie einer Affäre: Roman

Anatomie einer Affäre: Roman

Titel: Anatomie einer Affäre: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Enright , Hans-Christian Oeser , Petra Kindler
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hier?«
    »Eben angekommen«, antwortete ich.
    »Jack, du sollst mir doch immer sagen, wenn jemand an der Tür ist. Immer, ist das klar?«
    »Keine Sorge«, sagte ich in dem Versuch, ihn vor ihr in Schutz zu nehmen.
    »Hörst du mich, Jack?«
    »Ja doch.«
    Sie sah mich mit einem schrägen Lächeln an.
    »Möchtest du einen Tee?«
     
    »Wir müssen über das Haus reden«, sagte ich später, als die Erleichterung einsetzte.
    »Ach ja, das Haus«, sagte sie und schwenkte eine deprimierte Hand durch die Luft. Und man muss es Fiona lassen – raffgierig war sie noch nie.
    »Hab ich dir erzählt, dass wir den Stellplatz in Brittas verkauft haben?«
    »Nein.«
    »Haben wir. Und ich sage dir, über einer Million bewegt sich nichts. Nichts. Shays Worte.«
    »Wirklich?«, sagte ich.
    »Dieses Jahr wird nichts gebaut. Nicht ein Ziegelstein kommt auf den andern, sagt er. Nicht einer.«
    »Na ja, es war ja auch zu verrückt«, sagte ich. »Oder?«
    »Meinst du?«
    Und wir lauschten eine Weile – auf die knarzenden Geräusche des Geldes, das in den Wänden und Fußböden und granitenen Küchenarbeitsplatten verdorrte und sie wieder in Ziegel und Bauschutt und Steine verwandelte.
    Shay kam in Polohemd und Jeans nach unten, frisch geduscht und sehr von sich eingenommen.
    »Gina!«, sagte er, als wären wir alte Golfkumpel, die viel zu lange nicht am Abschlag waren. Dann machte er sich rasch von dannen, um Megan abzuholen. An der Kücheninsel richtete Fiona einen Salat an, und ich sagte, zwischen mir und Seán sei es aus. Nur für den Fall, dass sie es wissen wollte. Nur für den Fall, dass es sie interessierte.
    »Endgültig«, sagte ich. Ich wolle ihn nicht wiedersehen. Er könne zu seiner Frau zurückkehren.
    »Was meinst du mit ›zurückkehren‹?«, fragte Fiona. »Er hat sie doch nie verlassen.«
    »Was auch immer.«
    »Weißt du was, ich glaube, er hat es ihr nicht einmal erzählt.«
    »Nein?«
    Ich meinte es schon ernst, als ich sagte, dass ich ihn nie mehr wiedersehen wolle – niemals. Seán war dreihundert Meter von mir entfernt und spielte den Familienvater, Fiona war in ihrer Küche und spielte die perfekte Ehefrau, und ich war die perfekte Närrin. Es würde Sanktionen geben, das war mir klar. Denn in diesem Moment fühlte es sich wirklich an, als hätte ich das Spiel verloren.
    »Ich weiß nicht, was du in ihm gesehen hast«, sagte Fiona.
    »Kleiner Scheißkerl«, sagte ich.
    »Er hat’s halt drauf, weißt du. Man darf es nicht ernst nehmen.«
    »Hab ich aber.«
    »Er hat dort gesessen«, sagte sie, und inzwischen war sie wütend – schwer zu sagen, ob auf mich oder um meinetwillen.
    »Er hat dort gesessen«, und sie deutete auf den Clubsessel aus Leder. »Und mir erzählt, wie einsam er sei. Nein. Er hat mir erzählt, wie einsam seine Frau sei. Wie sehr er sich um seine Frau sorge.«
    »Wann war das?«, fragte ich.
    Fiona betrachtete die Glasscheibe zwischen Küche und Garten, auf der sich in der Abendämmerung ihr Spiegelbild abzeichnete. Sie prüfte ihr Gesicht, dessen Grad an Traurigkeit und den Zustand ihrer Frisur.
    »Kleiner Scheißkerl«, sagte sie. »Ich hatte ihn gern.« Und sie beugte sich über den schwarzen Granit ihrer Kücheninsel und formte ihre umgedrehten Hände zu Klauen, so wie Seán es tut, wenn er jemanden überzeugen will.
    Aber wissen Sie, jeder wird Fiona gegenüber zudringlich, das ist die Bürde, die sie durchs Leben schleppt. Selbst der Postbote ist von Fiona angetan, sie ist damit geschlagen, sie kann nicht mal ihre Haustür öffnen.
    »Wann war das?«, fragte ich noch einmal.
    »Ach, ich weiß nicht«, sagte sie.
    Und dann fiel mir etwas anderes über meine Schwester ein. Ihr Problem ist nicht, dass jeder scharf auf sie ist. Ihr Problem ist die Art, wie sie sie lieben. Männer. Die wollen sie nicht etwa vögeln, die wollen sich nach ihr verzehren. Das ist es, was sie so traurig macht.
    »Vor Jahren«, sagte sie. »Ich war gerade mal zwei Minuten schwanger, mit Jack. Ich weiß noch, dass ich mich richtig blöd angestellt habe. Ich hatte keine Ahnung, wovon er redete.«
    »Was hat er gesagt?«
    »Ach, ich weiß nicht.« Sie tritt an den zweitürigen Großraumkühlschrank, der die halbe Küchenwand einzunehmen scheint. »Was sagen die einem schon?«
    Sie öffnet ihn, und die Plastiklippe gibt mit einem weichen Saugton nach. Sie sagt: »Gina. Du weißt, dass Shay keine Arbeit hat. Du weißt, dass er seit Oktober nicht gearbeitet hat.«

III
     

Knocking on Heaven’s Door
     
    Als Evie

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