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Anderer Welten Kind (German Edition)

Anderer Welten Kind (German Edition)

Titel: Anderer Welten Kind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ehmer
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Luft aus und das Spiel begann zu verebben. Michael blieb am Klavier sitzen. Christian und Helga setzten sich eng nebeneinander auf die Couch. Erhitzt und glücklich schmiegten sie sich aneinander. Michael, ihnen den Rücken zugewandt, straffte sich plötzlich und schlug viel zu heftig und viel zu schnell Elvis’ Don’t Be Cruel an. Die erste Strophe
    You know I can be found,
    Sitting home all alone,
    If you can’t come around,
    At least please telephone.
    Don’t be cruel to a heart that‘s true.
    bellte er beinahe heraus, wobei sich seine Stimme beim Don’t be cruel to a heart that’s true fast überschlug.
    Sein schwerer Körper zuckte und er endete so abrupt, wie er begonnen hatte, und blieb dann still in sich zusammengesunken sitzen, ohne sich umzudrehen. Helga rückte von Christian ab, der überhaupt nichts verstand und dachte, das sei eine großartige Interpretation, und der Bewegung von Helga folgte. Sie schüttelte ihn ab und starrte auf Michaels Rücken, die Stirn zu einem nachdenklichen Runzeln verzogen. Nach einem Moment, der Helga ewig schien, begann er leise und verhalten, mit dem Thema zu improvisieren, verließ dann den Refrain und klimperte noch ein Weilchen vor sich hin, den Kopf auf die rechte Faust gestützt, und mit der Linken ließ er Jonny B. Goode anklingen, bevor er geräuschlos den Deckel schloss und sich umdrehte. Um seinen Mund spielte ein Lächeln, das auch noch anhielt, als er sich in einen Sessel plumpsen ließ.
    „Das war toll“, sagte Christian. Er konnte sich nicht erinnern, wann er in letzter Zeit, wenn überhaupt, einen so glücklichen Tag erlebt hatte.
    „Fand ich auch“, sagte Michael, „können wir ja wiederholen.“
    Er schlug Helga vor, mit ihr Klavier zu üben, sie seien doch ein tolles Team, aber sie winkte ab, sie wolle sich das nicht mehr antun, und sie sagte es so, dass es im Vagen blieb, worauf sich ihre Antwort bezog.
    Dann fiel ihnen nichts mehr ein und um gar nicht erst eine peinliche Stille aufkommen zu lassen, stand Helga auf und sagte, sie müsse jetzt gehen. Den Abschiedskuss auf Michaels Mund verhinderte sie, indem sie ihm die Wange hinhielt, was er mit dem gleichen Lächeln registrierte.
    Auf dem Nachhauseweg blieb sie still und nachdenklich, während Christian in seiner überschäumenden Freude auf sie einredete, was für ein toller Kerl Michael sei und ob sie nicht bald wieder hingingen.
    Als er versuchte, ihr vor der Haustür stürmisch küssend seine Zunge aufzudrängen und dabei ihren Mantel aufknöpfte, um ihr an die Brust zu fassen, stieß sie ihn sanft und entschieden weg und schaute ihn aus der Distanz kurz an. Dann nahm sie ihn fest in ihren Arm, drückte ihn und sagte „Bis Morgen“, schloss die Haustür auf und verschwand, ohne sich umzuschauen.
    Beseelt euphorisch trat Christian den Heimweg an und das Don’t Be Cruel begleitete ihn nach Hause und er hätte es beinahe laut gegrölt mit der gleichen schrägen, verzweifelten Stimme, von der er nicht ahnte, dass sie keine Pose war.

8. Kapitel

    Ich muss eine Entscheidung treffen, dachte Ricky von Dülmen, als Wullenwever ihn fragte, was er von Christian wolle. Laut sagte er, dass da gar nichts sei, der Junge sei ihm über den Weg gelaufen. Da sei nichts, wiederholte er.
    Wullenwever schüttelte den Kopf und sein Gesicht verzog sich zu einem Ausdruck, der signalisierte, dass man ihm nichts vormachen könne, Ricky solle es gar nicht erst versuchen.
    „Dann halt dich von dem Jungen fern. Der ist nichts für dich.“
    Ricky wollte protestieren, sog schon die Luft ein für eine mit Vehemenz vorgetragene Replik, gänzlich Unschuld, Wullenwever sähe da etwas total falsch, kapitulierte jedoch vor seinem Blick, der ihn durchschaute, als wenn er geradewegs das Gegenteil gesagt hätte. Dabei war er sich selbst schrecklich unschlüssig. Er fand Christian süß und anziehend und seine Gegenwart machte ihn nervös und er verhielt sich wie ein Idiot, vor allem, wie er die Kleine abgefertigt hatte, mit der Christian am Tisch gesessen hatte. Sehr souverän, der große Ricky, Maler pornografischer Bilder und Boheme par excellence!
    „Lass mal, du weißt ganz genau, was ich meine. Bring ihn nicht in Situationen, die ihm vollkommen fremd sind. Der weiß ja noch nicht einmal, was ,anders sein‘ bedeutet. Ich habe dir doch von der Begegnung vor dem Kino erzählt. Mit dem Filmtitel konnte er gar nichts anfangen. Der hatte überhaupt keine Ahnung. Er ist fast noch ein Kind.“
    Ricky dachte, wenn Wullenwever

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