Angel 01 - Die Engel
aber er wusste es nicht sicher.
Die Küche begann sich zu drehen.
Er wusste, was er eigentlich tun sollte: nicht rumsitzen, Kaffee trinken und davon träumen, was hätte sein können, sondern sich an all die wundervollen Zeiten erinnern, die sie miteinander erlebt hatten, und Gott, oder zumindest irgendjemandem, danken, dass sie nicht länger leiden mussten. Wenn sie überlebt hätten, körperlich und geistig verkrüppelt, wäre es für sie alle noch viel schlimmer gewesen. Irgendwann hätten sie einander vielleicht nur noch gehasst.
War das egoistisch? Immerhin lebte er noch, und es ging ihm gut.
Als er ins Schlafzimmer zurückging, bemerkte er den Hügel im Bett, und für einen Moment regte sich etwas in ihm. Es war das gleiche Gefühl, das er jeden Morgen spürte, wenn er aufwachte und vergessen hatte, dass Celia nicht mehr da war.
» Was zur Hölle ist hier los?«, fragte er leicht lallend, trotz des Kaffees.
Der Hügel bewegte sich, und ein Gesicht tauchte auf. Es war eine Frau, die Dave allerdings nicht sofort erkannte. Sie roch nach Whiskey, und sie wachte nicht auf. Irgendwie kam sie ihm bekannt vor, auch wenn er nicht sagen konnte, woher.
Dave starrte sie weiter an, und plötzlich fiel es ihm wieder ein. Diese Vangellen. Sie war geblieben. Er fühlte sich so erschlagen und wackelig, dass er nur noch neben ihr ins Bett fallen konnte, mit dem Gedanken, dass diese Geschichte viel besser am Morgen geklärt werden konnte, wenn die Wirkung des Alkohols nachgelassen hatte.
Als er das nächste Mal wach wurde, lag sie neben ihm, nackt, den Ellbogen aufgestützt, und rauchte eine Zigarette. Die Bettdecke war neben ihr zurückgeschlagen. Sie wirkte ziemlich unbekümmert, obwohl das auch gespielt sein konnte: eine Pose, die sie ihm beim Aufwachen präsentierte.
Ihr strähniges Haar kitzelte in seinem Gesicht.
Sie trug ihre Brille. Das kam ihm komisch vor, eine nackte Frau mit Brille. Normalerweise zeigten sich Frauen lieber ohne Brille.
Er brauchte ein paar Sekunden, bis er realisierte, dass er sich in seinem eigenen Schlafzimmer befand. Dann fiel ihm der vergangene Abend wieder ein, zumindest Teile davon, und er spürte, wie sich Enttäuschung in ihm ausbreitete, Enttäuschung über sich selbst.
» Wie zum Teufel ist das passiert?«, fragte er.
Sie drehte sich um und sah ihn an.
» Guten Morgen. Es war meine Schuld. Ich denke, ich bin mit der Absicht losgezogen, flachgelegt zu werden. So bin ich nicht oft. Wahrscheinlich kriege ich gerade meine Tage. Ich hoffe, es stört dich nicht, dass ich im Bett rauche?«
Der Teil mit den Tagen gefiel ihm ganz und gar nicht, dadurch kam er sich vor, als sei er dazu benutzt worden, eine bestimmte Funktion zu erfüllen, weil gerade niemand anders verfügbar war. Vielleicht war es ja auch so, aber deswegen musste es ihm noch lange nicht gefallen.
» Ich schätze, ich habe es auch gebraucht, sonst hätte ich nicht zugelassen, dass es passiert«, meinte er. » Also haben wir beide Schuld – wenn es überhaupt eine Frage der Schuld ist. Du musst mir diese erste Bemerkung verzeihen. Ich fühle mich einfach ein bisschen schuldig, so als würde ich meine Frau betrügen. Es ist noch zu frisch, verstehst du?«
» Natürlich. Ich denke, wir haben letzte Nacht zu viel getrunken.«
» Alkohol war für mich noch nie eine Entschuldigung.«
Es hatte damit angefangen, dass sie im Wohnzimmer gesessen und geredet hatten, und was Dave eigentlich als eine Sache von einer halben Stunde gesehen hatte, erstreckte sich irgendwann über zwei Stunden. Währenddessen hatten sie den Kaffee zugunsten einer Flasche Whiskey aufgegeben, und bevor es ihnen bewusst war, hatten sie beide einen Seelenstriptease hingelegt.
» Ich habe meine Frau und meinen Sohn über alles geliebt«, hatte Dave gesagt, » und es ist schwer, verdammt schwer, sie loszulassen. Ich versuche immer noch, sie hierzubehalten. Weißt du, was ich meine?«
» Ich glaube schon. Als ich neun war, habe ich meine Mutter verloren, und ich habe immer so getan, als wäre sie noch da. Das war ein Spiel für mich, wenn ich aus der Schule kam, mir selbst einzureden, dass sie in der Küche stehen und das Essen vorbereiten würde. Ich habe die Tür aufgemacht und gerufen: › Mom!‹ Das hat meinen Vater wahnsinnig gemacht.«
» Das glaube ich sofort. Mich würde es auch wahnsinnig machen.«
Vanessa hatte genickt.
» Ja, ich schätze, das war irgendwie hart für ihn.«
» Egal«, hatte Dave abgewinkt. » Eigentlich wolltest du doch
Weitere Kostenlose Bücher