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Angela Merkel - Ein Irrtum

Angela Merkel - Ein Irrtum

Titel: Angela Merkel - Ein Irrtum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cora Stephan
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größten Geschenke, das die Bewohner jener fünf Bundesländer ins neue Deutschland mitbrachten. Und es war zu unser aller Schaden, dass das Geschenk so wenig angenommen wurde: Der Wunsch und der Wille, Freiheit und Selbstbestimmung anzunehmen und sofort damit anzufangen.
    Ich habe 1990 für wenige Monate in Schwerin gelebt und gearbeitet und der DDR bei ihrer Selbstauflösung zugesehen. 2 In diesem aufregenden Sommer war ich umgeben von Leuten, die in einem halben Jahr ungeheure Lernprozesse machten. Ich bezweifle, dass sich viele im schläfrigen Westen Ähnliches zugetraut hätten.
    Die Luft prickelte, es herrschte Aufbruchstimmung. Und dann wurde aus Euphorie Resignation. Es bremsten, in dieser und jeder anderen Reihenfolge: die alten Kader, die schnell wieder in wichtigen Positionen waren, in denen sie andere behindern konnten. Die Rechtsunsicherheit, was das Eigentum an Grund und Boden betrifft – eine besonders tragische Angelegenheit, da es ja richtig war, dass man die neue Rechtsordnung nicht auf einer eklatanten Rechtsverletzung der DDR aufbauen konnte. Großmäulige Betrüger aus dem Westen, die sich im unwissenden Osten sanieren wollten. Besitzstandswahrer, wie die westdeutschen Gewerkschaften, die willige Arbeitskräfte aus der Noch-DDR fürchteten, die ihnen zu Billiglöhnen Konkurrenz machen könnten. Nicht der sozialen Gerechtigkeit, sondern den Interessen der Westdeutschen diente die Forderung nach weitgehender Angleichung der ostdeutschen Löhne an Westniveau. Für die im Osten war das einer der
ersten Schritte in die Abhängigkeit. Der Segen, reiche Verwandte zu haben, zeigte seine Kehrseite.
    Es wurden Fehler gemacht – manche aus Beschränktheit und Hochmut, aber viele verzeihliche. Wer hatte schon Übung in Sachen Vereinigung zweier verschiedener Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme? Natürlich kollidierten Interessenlagen, gewiss hätte man vieles besser und anders machen können, sicher war einiges unvermeidlich.
    Das Resultat aber war tieftraurig. In Windeseile sahen sich die Ostdeutschen wieder zu Opfern werden – erst der DDR, jetzt des »Anschlusses« an den Westen mit seinen gierigen Kapitalisten. Damit war allen gedient, den Westdeutschen mit ihrem Helfersyndrom, wo man Opfer möglichen Konkurrenten vorzog, und jenen Ossis, die an den gebenden und strafenden Staat gewohnt waren. Und ans Jammern darüber.
    Es tat weh, den Aufbruch zum Stillstand kommen zu sehen.
    Der Perspektivwechsel aber hatte gutgetan. Von der sich auflösenden DDR aus gesehen, präsentierte sich der Westen, als hätte man in all den Jahren in einer Art Kokon gelebt. Jedenfalls, seit man sich angewöhnt hatte, die Wiedervereinigung nicht nur für bedauerlicherweise unmöglich zu halten, was auf Realismus basierende Resignation gewesen wäre, sondern sie als gefährliche »Lebenslüge«, als »revanchistisch« und »friedensgefährdend« zurückzuweisen. Man hätte diesen Abschied von der Wiedervereinigung wohl besser als Verrat an den »Brüdern und Schwestern drüben« bezeichnen sollen, aber das kam niemandem in
den Sinn außer ein paar »Revanchisten«. Es passte nicht zu der allgemeinen Entspannungsstimmung, zumal viele Westdeutsche glaubten, die Bewohner der DDR hätten irgendwie doch den besseren Teil gewählt. Bis zu ihrem Ende hatte die SED erfolgreich den Eindruck verbreiten können, in der DDR blühten die Landschaften eines sozialistischen Erfolgsmodells, und nur im Westen seien das Erbe der Nazidiktatur und ein aggressiver Nationalismus zu Hause. Den gab es dort allerdings weit weniger als im SED-Staat, wie wir heute wissen.
    Die Generation im Westen, die von der Friedensbewegung geprägt war – eine weit mächtigere Strömung als 68ff. –, hatte in den Jahren des Kalten Kriegs Ursache und Wirkung verwechseln gelernt, hielt die deutsche Teilung für eine gerechte Strafe für Auschwitz (nicht für die Folge der Machtpolitik Stalins) und die Sowjetunion für eine Friedensmacht, die man nicht provozieren dürfe (ein bestechender Sieg sowjetischer Propaganda). »Während die Last des kommunistischen Feldversuchs jahrzehntelang auf dem Osten Deutschlands ruhte, palaverten die 68er im Westen beim temperierten Chianti von der deutschen Schuld und der Zweistaatlichkeit als Buße und notwendigem Friedensfaktor«, kommentierte die Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld bitter. 3
    Unter dem pazifistischen Credo »Nie wieder Krieg« verbarg sich die weniger schöne Tatsache, dass unsere weltpolitische Nische von

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