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Angelique Der Gefangene von Notre Dame

Titel: Angelique Der Gefangene von Notre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Golon Anne
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Wanderschaft gehen. Dazu hatte er ein Maultier gekauft, »aber es ist nicht so schön wie die unseren zu Hause«, wie er sagte. Er gab Angélique ein wenig Geld, und diese nahm es an, denn sie war besessen von dem Gedanken, nicht genug davon zu haben, sollte eines Tages eine hohe Summe nötig sein, um Joffrey zu retten.
    In den Städten würden die geheimen Bruderschaften der Gesellen Gontran aufnehmen. Sie waren jetzt seine neue Familie. Ob er wohl unter dem Bruch mit seiner alten Welt litt? Es hatte nicht den Anschein. Sie fragte sich, welche Kraft ihn wohl antrieb. Und mit einem Mal verstand sie. Er war von einer Leidenschaft erfüllt. Nahm sie selbst nicht alle Entbehrungen in
Kauf, um in dieser Stadt zu bleiben und so eng wie möglich mit dem Mann verbunden zu sein, den sie liebte?
    Sorgenvoll sah sie ihm nach. Seine Unterstützung würde ihr fehlen.
    Â 
    Eines Morgens kehrte sie mit Florimond von einem kurzen Spaziergang zum mächtigen Wehrturm zurück. Sie war dort den Ziegenherden begegnet, die ein Hirte aus Belleville häufig in den Temple führte. Er ließ sie auf dem Brachland neben dem Turm weiden und molk sie, wann immer Kunden kamen und nach Milch verlangten. Er behauptete, Ziegenmilch eigne sich ganz ausgezeichnet für Ammen und die Milch einer Eselin für »von Unzucht und Ausschweifung geschwächte Temperamente«. Obwohl dies sicher nicht auf sie zutraf, kaufte Angélique häufig einen kleinen Krug Milch der Eselin, eines friedlichen Tieres, das die Herde zusammen mit ihrem Hengst begleitete.
    Sie hielt Florimond an der Hand, der mit kleinen Schritten neben ihr hertrippelte, und erreichte gerade das Haus, als sie lautes Geschrei hörte. Dann sah sie den Sohn ihrer Zimmerwirtin, der auf sie zulief und seinen Kopf vor dem Hagel aus kleinen Steinchen zu schützen versuchte, mit denen ihn eine Horde kleiner Jungen bewarf, die ihn verfolgten.
    Â»Cordeau! Corde au cou 5 ! Komm doch, streck die Zunge raus, du Galgenstrick!«
    Ohne auch nur den Versuch zu machen, sich gegen sie zu wehren, stürmte der Junge ins Haus.
    Â 
    Als wenig später zu Mittag gegessen wurde, traf Angélique ihn in der Küche an, wo er friedlich seine Portion Walfischspeck verschlang.
    Angélique hatte Madame Cordeaus Sohn bisher keine große Beachtung geschenkt. Er war ein kräftiger Fünfzehnjähriger, untersetzt und schweigsam, dessen niedrige Stirn keine besondere
Intelligenz erkennen ließ. Aber er war seiner Mutter und den Mietern gegenüber immer hilfsbereit. Seine einzige Zerstreuung am Sonntag bestand offensichtlich darin, mit Florimond zu spielen, dem er jeden Wunsch von den Augen ablas.
    Â»Was war denn vorhin los, mein armer Cordeau?«, fragte die junge Frau, als sie sich vor den groben Napf setzte, in den ihre Vermieterin die Erbsen und den Walspeck schöpfte.
    Â»Warum hast du diese ungezogenen Lümmel, die dich mit Steinen beworfen haben, nicht einfach verprügelt? Deine Fäuste sind doch stark genug.«
    Â 
    Der Junge zuckte mit den Schultern.
    Â»Ach, wisst Ihr«, erklärte seine Mutter, »das geht schon so lange so, er ist daran gewöhnt! Selbst ich nenne ihn manchmal Cordaucou, ohne mir etwas dabei zu denken. Und mit Steinen haben sie ihn schon beworfen, als er noch ein kleines Kind war. Er prügelt sich nicht. Das Wichtigste ist doch, dass es ihm gelingt, Meister zu werden, nicht wahr? Irgendwann werden ihn schon alle respektieren, da mache ich mir keine Sorgen.«
    Und die Alte kicherte hämisch, was ihre Ähnlichkeit mit einer Hexe noch verstärkte.
    Angélique erinnerte sich daran, welchen Widerwillen Mutter und Sohn Madame Scarron einflößten, und sah sie erstaunt an.
    Â»Dann stimmt es also? Ihr wisst es gar nicht?«, fuhr Madame Cordeau fort, während sie ihre Pfanne zurück aufs Feuer stellte. »Nun, ich brauche mich ja nicht dafür zu schämen, mein Junge arbeitet für Maître Aubin.«
    Und als Angélique immer noch nicht begriff, erklärte sie: »Bei Maître Aubin, dem Henker!«
    Â 
    Die junge Frau spürte, wie ihr ein Schauer über den Rücken lief. Schweigend begann sie das einfache Gericht zu essen. Es war Fastenzeit, und jeden Tag kam unweigerlich ein mit Erbsen
gekochtes Stück Walspeck auf den Tisch, das Fastengericht der armen Leute.
    Â»Ja, er geht beim Scharfrichter in die Lehre«, fuhr die Alte fort und setzte sich an den Tisch. »Das

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