ANGRIFF - Fantastischer Thriller (German Edition)
reagieren. Wenn man ihr nur mit ein bisschen Zärtlichkeit und Wärme begegnete, würde sie sich öffnen wie eine Blume beim ersten Sonnenstrahl.
Sie brauchte Liebe. Romantische, körperliche Liebe. Und das war etwas, was Will ihr nicht geben konnte. Er konnte etwas dafür tun, ihren Verstand zu öffnen, nicht aber ihr Herz. Er konnte ihr alles geben, nur nicht diese Art von Liebe.
Nicht, dass ihm dieser Gedanke nicht schon wiederholt gekommen wäre. Sogar ziemlich häufig. Obwohl er erheblich älter war, hatte es eine Phase in ihrer Beziehung gegeben, als er gespürt hatte, dass die Zeit reif war, sich nicht nur geistig zu vereinen. Aber das war kein Weg, den er beschreiten konnte. Er hatte andere Dinge vor sich, er machte sich bereit für die Aufgabe, zu dem Leben zurückzukehren, das er hinter sich gelassen hatte. In diesem Leben gab es keinen Platz für eine Frau.
Deswegen war Will ganz froh, dass jemand den Schlüssel zu Lisls Herzen gefunden hatte. Er hoffte nur inständig, dass dieser Jemand auch der Richtige war. Lisl war etwas ganz Besonderes. Sie verdiente nur das Beste. Er verabscheute es, sich in das Leben von jemand anderem einzumischen, aber falls es offenbar wurde, dass dieser Rafe Losmara ihre Verletzlichkeit und ihre Vertrauensseligkeit ausnutzte, dann würde er einschreiten.
Er konnte nicht zulassen, dass jemand Lisl wehtat.
Der Gedanke überraschte ihn.
Ich. Als Beschützer der Schutzlosen. Ich kann kaum für mich selbst sorgen.
Warum sollte er also einen starken Beschützerinstinkt Lisl gegenüber entwickeln? In den letzten Jahren war sie zu einem wirklich wichtigen Teil seines Lebens geworden – der einzige Freund, den er auf der Welt hatte -, zumindest der einzige, mit dem er reden konnte. Auf seine Weise liebte er Lisl. Was sie besaß, war selten und wertvoll und verdiente es, beschützt zu werden. Will würde alles tun, für diesen Schutz zu sorgen.
Er lächelte erneut. Lisl hatte ihm viele Male erzählt, wie sehr sie ihm in ihren Augen etwas schuldig war, weil er ihr die Welt der Literatur und der Philosophie gezeigt hatte. Wenn sie nur wüsste. Sie hatte für ihn weit mehr getan, als er es jemals für sie tun könnte. Ihre natürliche Kombination aus Freundlichkeit, Unschuld, Intelligenz und Verletzlichkeit hatten ihm zu einem erheblichen Grad seinen Glauben an die Menschheit und an sich selbst zurückgegeben. Als es am finstersten war, war sie ein Sonnenstrahl gewesen. Und das Ergebnis davon war, dass es in Wills Welt jetzt um so vieles heller war.
3.
Lisl verließ die Universität an diesem Nachmittag sehr früh. Die Tage wurden kürzer und sie genoss die Kühle des Herbstes. Als sie in Brookside Gardens ankam, wurde ihr klar, sie wollte nicht in ihre Wohnung. Sie saß in ihrem Wagen und überlegte, was sie mit der zusätzlichen Zeit anfangen sollte, die sie gewonnen hatte, weil sie früher mit ihrer Arbeit fertig geworden war. Eigentlich hätte sie die in ihre Arbeit für Palo Alto investieren sollen, aber dazu hatte sie jetzt keine Lust. Sie war zu fahrig, um sich vor einen Computermonitor zu setzen.
Fahrig? Wieso?
Dann wusste sie es plötzlich.
Sie wollte an diesem Tag einfach nicht allein sein.
Das passte so gar nicht zu ihr. Seit der Scheidung war sie immer allein gewesen. Sie hatte ständig so viel im Kopf, dass sie viel zu beschäftigt war, um menschlichen Kontakt zu vermissen. Aber nicht jetzt. Heute hatte sie den Eindruck, sie müsse mit jemandem zusammen sein.
Aber nicht mit irgendjemand.
Die Erinnerung an das, was sie in Gedanken als die Metropolis -Nacht abgespeichert hatte, schoss ihr durch den Kopf und sie erbebte. Sie und Rafe hatten seitdem viele Nächte miteinander verbracht und die waren alle wundervoll gewesen, aber diese eine Nacht war etwas Besonderes, weil es die erste war, und weil sie einen fast unstillbaren Appetit in ihr geweckt hatte, einen, der für den Augenblick befriedigt werden konnte, aber nie für lange. Sie war jetzt ein sexuelles Wesen, eine ganze Person, und sie genoss es. Und Rafe … der war wie ein Satyr, immer bereit. Wahrscheinlich sogar in gerade diesem Moment.
Statt den Wagen wieder anzulassen, stieg Lisl aus und ging in Richtung Park. Sie kürzte über den südwestlichen Rasen ab und ging zur Poplar Street. Von da aus waren es nur vier Blocks bis zu Rafes Eigentumswohnung in Parkview, der Residenz für Yuppies, die sich entweder noch kein eigenes Haus leisten konnten oder es nicht wollten.
Aber als sie die Anlage betrat und
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