ANGRIFF - Fantastischer Thriller (German Edition)
überzeugt.
XVI
1.
Die Überprüfungen verliefen gut. Sowohl Herb als auch Sara hatten hervorragende akademische Qualifikationen – er in Betriebswirtschaft, sie in Grundschulpädagogik. Ihre Kreditauskunft war ausgezeichnet. Die Hausbegehung war mehr als vielversprechend – ein zweigeschossiges Haus im Kolonialstil in einem ruhigen, gutbürgerlichen Viertel in Astoria, wo die Loms auch engagierte Mitglieder in der katholischen Gemeinde waren. Bill machte sich sogar die Mühe, Saras alten Pfarrer in Houston anzurufen. Pater Geary erinnerte sich an Sara Bainbridge – ihr Mädchenname – und beschrieb sie als eine liebenswerte, sehr nette junge Frau. Herb stammte aus einer vermögenden Familie und war kein so aktiver Kirchgänger wie Sara, aber der Gemeindepfarrer hielt ihn für einen guten Mann.
Der ganze Prozess lief wie am Schnürchen. Die Wochenendbesuche verliefen ohne jeden Zwischenfall und Dannys Aufenthalt wurde auf eine ganze Woche ausgedehnt. Er fand das klasse. Und er vergötterte Sara. Er war vollkommen begeistert von ihr, einfach hin und weg. Er kam zwar immer noch täglich in Bills Büro, setzte sich weiterhin auf seinen Schoß und unterbrach auch noch die samstäglichen Schachpartien. Aber er redete nur noch von Sara, Sara, Sara. Bill hielt sie zwar für sehr nett, sogar außergewöhnlich, aber er konnte den Namen schon nicht mehr hören.
Im Spätherbst war Danny nicht mehr der gleiche Danny, der den ganzen Sommer über St. F’s verwüstet hatte. Langsam und allmählich hatte Bill einen merklichen Wandel festgestellt. Im Laufe des Überprüfungs- und Bearbeitungsprozesses hatte er bemerkt, dass Dannys Tempo abnahm. Kein scharfes Abbremsen, eher so wie ein LKW, dessen Fahrer langsam aber beständig herunterschaltete, während er von einer Autobahn in eine verkehrsberuhigte Zone wechselte. Der Motor drehte weiter auf Hochtouren, aber die Geschwindigkeit nahm ab. Die Nonnen, die ihn in der zweiten Klasse unterrichteten, stellten fest, dass er nicht mehr so heftig störte und dass seine längere Konzentrationsspanne seine schulischen Leistungen verbesserte.
Fast wie ein Wunder. Fast zu gut, um wahr zu sein.
Und das machte Bill etwas zu schaffen. In den zwanzig Jahren, die er jetzt in St. F’s war, war kaum jemals eine Adoption so glatt über die Bühne gegangen. Wenn er jetzt im Dunkeln allein im Bett lag, dann weckte das Fehlen von Problemen wieder diese nagende kleine Stimme und regte sie an, ihre nebulösen Zweifel in sein Ohr zu flüstern.
Deswegen war er fast erleichtert, als sich in der letzten Woche vor Weihnachten das erste kleine Problem ergab.
Herb hatte Druck gemacht, die Adoption noch vor Weihnachten abzuschließen, angeblich, weil er das neue Jahr mit ihnen dreien zusammen als Familie beginnen wollte. Bill bezweifelte das zwar nicht, aber er hatte den Verdacht, dass Herb als Rechnungsprüfer natürlich darauf spekulierte, Danny als Familienmitglied für das ganze Jahr von der Steuer absetzen zu können, wenn die Adoption noch vor Mitternacht am 31. Dezember offiziell bestätigt wurde.
Was für Bill kein Problem darstellte. In New York ein Kind großzuziehen war extrem teuer und Eltern verdienten jedwede finanzielle Erleichterung, die sie bekommen konnten. Das war nicht das Problem.
Das Problem war Danny. Der Junge bekam kalte Füße.
»Aber ich will nicht weg«, sagte er Bill eines Abends in der Woche vor Weihnachten.
Bill klopfte sich auf die Schenkel. »Warum setzt du dich nicht zu mir und erzählst mir, warum nicht?«
»Weil ich Angst habe«, hatte Danny gesagt, nachdem er sich bei ihm auf den Schoß gesetzt hatte.
»Hast du Angst vor Sara?«
»Nein. Sie ist liiieeeb.«
»Was ist mir Herb? Hast du Angst vor ihm?«
»Nein. Ich habe Angst, von hier wegzugehen.«
Bill lächelte in sich hinein und umarmte Danny ermutigend. Er war fast erleichtert, zu hören, dass der Junge Bedenken hatte. Das war in den meisten Fällen so, es war ganz normal und in Dannys Fall zu erwarten. Schließlich war St. F’s länger sein Zuhause gewesen als irgendein anderer Ort. Die Bewohner und das Personal waren alles an Familie, was er die letzten zweieinhalb Jahre gekannt hatte. Es wäre bedenklich, wenn er da keine Trennungsängste entwickeln würde.
»Jeder hat ein bisschen Angst, wenn er uns verlässt, Danny. Genau wie man Angst hat, wenn man hierherkommt. Weißt du noch, als Tommy uns letzte Woche verlassen hat, um bei Mr. und Mrs. Davis zu leben? Er hatte auch Angst.«
Danny drehte
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