ANGRIFF - Fantastischer Thriller (German Edition)
sich um, um ihn anzusehen. »Tommy Lurie? Bestimmt nicht! Der hat keine Angst vor gar nichts!«
»Doch, er hatte Angst. Aber es geht ihm gut. War er nicht gerade gestern noch hier und hat erzählt, wie toll es da ist?«
Danny nickte langsam und vergewisserte sich: »Tommy Lurie hatte Angst?«
»Und vergiss nicht, du ziehst ja nicht weit weg. Du kannst mich anrufen, wann immer du willst.«
»Kann ich zurückkommen und euch alle besuchen, so wie Tommy?«
»Natürlich kannst du das. Du bist hier jederzeit willkommen und die Loms können dich herbringen. Aber schon bald wirst du bei Herb und Sara so glücklich und so beschäftigt sein, dass du uns alle hier in St. F’s vergisst.«
»Das werde ich niemals tun.«
»Das ist gut. Wir haben dich nämlich auch alle lieb. Die Loms haben dich lieb. Jeder hat dich lieb. Weil du ein guter Junge bist, Danny.«
Das war das, was Bill allen Kindern in St. F’s immer wieder predigte. Den meisten von ihnen fehlte jedes Selbstwertgefühl, wenn sie im Waisenhaus ankamen. Vom ersten Moment an, sobald sie durch die Tür kamen, hämmerte Bill ihnen seine Botschaft ein: Du wirst hier geliebt. Du bist etwas wert. Du bist wichtig. Du bist ein guter Junge.
Nach einer Weile glaubten einige von ihnen tatsächlich, dass sie etwas taugten.
In Dannys Fall war diese Botschaft aber mehr als nur psychologische Aufpäppelung. Bill würde ihn ganz schrecklich vermissen. Er hatte das Gefühl, als würde er seinen eigenen Sohn weggeben.
Deswegen saß er mit gebrochenem Herzen da, hatte Danny auf dem Schoß und erzählte ihm, wie schön es bei den Loms sein würde, wie Bill eine Nachricht an das Christkind schicken würde, damit das über Dannys neue Adresse informiert war, und dass er dafür sorgen würde, dass es ihm zu Weihnachten extra viele Geschenke bringen würde.
Und Danny saß da und hörte lächelnd zu.
2.
Danny sagte nichts weiter für den Rest der Woche. Aber an Heiligabend, als die letzten Papiere unterschrieben wurden, begann er zu weinen.
»Ich will nicht mit ihr mitgehen!«, schluchzte er, während ihm die Tränen über die Wangen liefen.
Sara saß neben Bills Schreibtisch; der angestoßene Lederkoffer, in dem sich Dannys ganzer weltlicher Besitz befand, stand vor ihren Füßen. Bill sah auf und bemerkte ihren gequälten Gesichtsausdruck. Er drehte sich um und hockte sich neben Danny.
»Es ist vollkommen in Ordnung, dass du ein bisschen Angst hast. Erinnerst du dich an das, worüber wir geredet haben? Erinnerst du dich an das, was ich dir über Tommy erzählt habe?«
»Das ist mir egal!« Seine Stimme hallte in dem plötzlich stillen Büro. »Sie ist böse! Sie ist gemein!«
»Komm schon, Danny. Es gibt keinen Grund, so …«
Der Junge schlang seine Arme um Bills Hals und klammerte sich zittern an ihn.
»Sie wird mir wehtun!«, schrie er. »Ich will nicht weg! Bitte lass mich hierbleiben! Sie wird mir wehtun!«
Der Ausbruch schockierte Bill, denn es ließ sich nicht verkennen, dass Danny wirklich schreckliche Angst hatte. Es schüttelte ihn buchstäblich vor Furcht.
Aus dem Augenwinkel sah er, wie Sara aufstand und auf sie zukam. In ihren Augen las er die Kränkung.
»Ich … ich verstehe das nicht«, sagte sie.
»Das ist nur der Bammel, weil es jetzt ernst wird«, sagte Bill in dem Versuch, sie zu trösten. »Das und seine überaktive Vorstellungsgabe.«
»Das scheint mir mehr zu sein als nur ein bisschen Bammel.«
Sachte schob Bill Danny auf Armeslänge von sich weg und hielt ihn da fest.
»Danny, hör mir zu. Du musst nirgendwo hingehen, wenn du nicht willst. Aber du musst mir alles über diese schrecklichen Dinge erzählen, die du da gesagt hast. Woher hast du das? Wer hat dir das gesagt?«
»Niemand«, flennte er und schniefte.
»Wie kannst du dann so etwas sagen?«
»Weil es so ist!«
»Das reicht nicht, Danny. Woher hast du diese Ideen?«
»Von nirgendwoher. Ich … ich weiß es einfach!«
Sara kam einen Schritt näher. Langsam, zögerlich streckte sie die Hand aus und legte sie Danny auf den Kopf, wobei sie sachte seine chronisch widerspenstigen Haarwirbel glatt strich.
»Ach Danny. Ich würde dir nie wehtun. Wie kannst du so etwas nur denken?«
Bill spürte, wie Danny sich bei Saras Berührung versteifte, dann aber wieder entspannte. Er sah, wie seine Augen einen Herzschlag lang nach oben rollten, dann wieder klar blickten. Er hörte auf zu schluchzen.
»Du wirst mein kleiner Junge sein«, sagte Sara mit eindringlicher, fast hypnotischer Stimme,
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