Angstschrei: Thriller
waren Sie in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch zwischen elf Uhr abends und drei Uhr morgens?«
» Das habe ich Ihnen doch schon gesagt.«
» Sagen Sie’s mir noch einmal.«
» Ich war hier.«
» Sind Sie sicher?«
» Wollen Sie mir etwa unterstellen, ich hätte Lainie um des Geldes willen umgebracht?«
» Ich will Ihnen gar nichts unterstellen. Aber jetzt, wo Sie es erwähnen– haben Sie?«
» Nein.«
» Ganz sicher?«
» Ganz sicher.«
» Dann haben Sie ja wahrscheinlich auch nichts dagegen, heute Nachmittag ins Polizeipräsidium zu kommen, damit wir Ihre Fingerabdrücke und eine DNA -Probe nehmen können.«
» Weil Sie im Augenblick jeden verdächtigen?«
» Ja. Jeden.«
Kelly erklärte sich bereit, in die Middle Street zu kommen, und McCabe verabschiedete sich.
18
Es war beinahe halb zwei, als McCabe schließlich wieder in der 109 eintraf. Er steckte die Scherben von Henry Ogdens Porzellantasse in einen Indizienbeutel und schloss ihn in der untersten Schreibtischschublade ein. Dann rief er Joe Pines an, den DNA -Guru des staatlichen Kriminallabors in Augusta. Samstag hin oder her, McCabe war sich ziemlich sicher, dass Pines im Labor sein würde. Er hatte es noch nie erlebt, dass Joe nicht da gewesen wäre.
» Hallo, Joe, ich habe mal eine Frage.«
» In Zusammenhang mit einem aktuellen Fall oder rein hypothetisch?«
» Rein hypothetisch. Nehmen wir mal an, jemand trinkt aus einer Kaffeetasse, und die Tasse bleibt dann einige Tage oder vielleicht sogar Wochen irgendwo stehen. Lässt sich aus dem getrockneten Speichel dann trotzdem noch die DNA ermitteln?«
» Sie ist dann vielleicht nicht mehr ganz so intakt, wie wir es im Idealfall gerne hätten, und es könnten ein paar Probleme bei der genauen Zuordnung längerer Sequenzen auftreten, aber ja, ein Ergebnis würden wir auf jeden Fall bekommen. Um wen geht es denn?«
» Wie gesagt, das war eine rein hypothetische Frage.«
» Okay. Geben Sie Bescheid, wann Sie mir die Tasse zuschicken.«
Er musste erst noch nachsehen, an welchen Tagen in der Ledge Road von Cape Elizabeth der Müll abgeholt wurde, damit er wusste, wann er die Porzellanscherben in der Tonne am Straßenrand gefunden hatte.
Sein nächster Anruf galt Tony Krawchek, dem Leiter des dreiköpfigen Drogendezernats des Portland Police Department.
» Hallo, Mike. Sag mal, die Kofferraumleiche von gestern Abend, zeigt die dir immer noch die kalte Schulter?« Krawchek wieherte los. Noch so ein Witzbold.
» Ja, immer noch. Darum rufe ich an. Hast du schon mal von einem kleinen Dealer mit dem Spitznamen Hotdog-Mann gehört?«
» Damit dürfte Kyle Lanahan gemeint sein. Betreibt einen Würstchenstand auf dem Monument Square. Ist eigentlich ein Amateur, der gelegentlich ein bisschen Koks vertickt. Wir haben ihn bloß noch nicht auf frischer Tat ertappt.«
» Hättet ihr was dagegen, wenn wir ihn zum Verhör aufs Revier holen?«
» Was wollt ihr denn von ihm?«
»Elaine Goff hatte ein Tütchen im Auto. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie das von ihm bekommen hat.«
» Na klar. Warum nicht? Und wenn ihr schon mal dabei seid, dann könnt ihr auch gleich noch aus ihm herauskitzeln, von wem er das Zeug bezieht. Das wüssten wir nämlich wirklich zu gern.«
McCabe war einverstanden, rief Tom Tasco an und bat ihn, Mr. Lanahan zu einer Befragung einzuladen.
Danach googelte er Wallace Albright. Er bekam über vierhundert Treffer. Schon nach wenigen Minuten hatte er den richtigen gefunden. Wallace Stevens Albright, ein prominenter Rechtsanwalt mit einer Kanzlei in Camden. Er war bereits zum dritten Mal verheiratet. Der Name seiner zweiten Frau lautete Martha Tynes Goff. McCabe googelte auch diesen Namen und bekam etliche Artikel angezeigt, die sich hauptsächlich mit der Tatsache beschäftigten, dass Martha Tynes Goff, Lainies Mutter, im Mai 1995 Selbstmord begangen hatte. Am Ende von Lainies zweitem Jahr am Colby College. Schließlich suchte er sich bei Google Images ein paar Fotos von Mr. Albright heraus und druckte sie aus. Gut aussehender Kerl. Schmales Gesicht. Kantige Züge. Graue Haare.
Ich glaube nicht, dass sie wollen würde, dass man ihn verständigt.
Aber er ist noch am Leben?
Was Lainie angeht, nicht.
Später hatte er Kelly gefragt : Glauben Sie, dass Lainie in ihrer Kindheit selbst einer Missbrauchssituation ausgesetzt war?
Ich weiß es nicht, aber ich habe es immer vermutet.
Sobald er Zeit hatte, würde er rauf nach Camden fahren und ein wenig mit Mr. Albright plaudern.
Weitere Kostenlose Bücher