Anita Blake 11 - Jägerin des Zwielichts
weit zwischen den Bäumen geparkt, dass die Fahrer sich sicher den Lack dabei zerkratzt hatten. Es gab nicht mehr genügend Parkplätze für die Werratten, sodass sie ihre Wagen dicht an dicht auf dem Kiesweg abstellten. Einige hatten an der Straße parken müssen, so sagten sie jedenfalls, als sie zwischen den Bäumen auftauchten. Rafael hatte sämtliche Ratten mitgebracht - an die zweihundert. Das Abkommen zwischen den Ratten und den Wölfen schrieb vor, dass ihre Anzahl höchstens zweihundert betragen durfte. Rafael hatte dem zugestimmt unter der Bedingung, dass ihm das wesentlich größere Wolfsrudel - sechshundert waren sie etwa - zu Hilfe kam, wenn nötig. Ohne Wenn und Aber. Nach dem Motto, deine Feinde sind auch meine Feinde. Das hatte Rafael mir in den letzten paar Minuten erklärt, und das hieß, dass er heute Abend eine Menge aufs Spiel setzte. Was mir ein schlechtes Gewissen machte. Und den Wunsch weckte, ich hätte doch eine Schusswaffe mitgenommen. Schließlich hätte ich sie mir immer noch abnehmen lassen können, aber ich hatte sie gehorsam zu Hause gelassen. War ich inzwischen weich oder übertrieben selbstbewusst, oder war ich bloß müde geworden?
Die größte Frau, die ich je gesehen hatte, kam auf uns zu und stellte sich neben mich und Rafael. Sie war gut zwei Meter groß, breitschultrig und hatte Muskeln, wie man sie nur vom Gewichtheben kriegt. Sie trug einen schwarzen Sport-BH und eine verwaschene schwarze Jeans. Ihre schwarzen Haare waren straff zurückgekämmt und zusammengebunden, das Gesicht ungeschminkt.
»Das ist Claudia. Sie ist heute Nacht zusammen mit Igor für deinen Schutz zuständig«, sagte Rafael.
Ich setzte zum Widerspruch an, aber er brachte mich mit einem Blick zum Verstummen. Seine Miene war todernst. »Du hast deine Werleoparden, aber keine Leibwächter. Wir können es uns nicht leisten, dich zu verlieren, Anita, nicht aus einem so albernen Grund.«
»Wie viel ist meine Drohung denn noch wert, wenn ich nicht selbst auf mich aufpassen kann?«
»Richard hat seinen Skoll und seinen Hati. Ich habe meine Leibwächter, und Micah hat seine. Nur du bist ohne Schutz. Raina hat die Werleoparden als Anhängsel ihres Rudels betrachtet. Darum ist nie ein richtiges Rudel aus ihnen geworden. Selbst wenn sie sich mit Micahs vereinen, habt ihr nicht das Personal für ein funktionierendes Rudel. Ihr habt zu viele Submissive und zu wenig Dominante. Heute Abend wirst du also Claudia und Igor bei dir haben.«
»Wir können auf Anita aufpassen«, warf Zane ein.
»Nein, das können wir nicht«, sagte Nathaniel.
Ich blickte ihn streng an. Er berührte meinen Arm. »Nimm die Hilfe an, Anita, bitte.«
»Wir können sie beschützen«, bot Micah an.
Merle pflichtete ihm bei.
»Und wenn du dich zwischen Micah und Anita entscheiden musst, wen rettest du dann?«, fragte Rafael.
Merle sah weg. Aber Noah sagte: »Micah.«
»Genau.«
»Werden sich deine Ratten nicht genauso hin- und hergerissen fühlen?«, fragte Micah.
»Nein, denn ich habe meine Leibwächter. In meinem Rudel gibt es viele Berufssoldaten. Was glaubst du, warum Raina und Marcus dem Abkommen zustimmten, als Richard ihnen den Vorschlag machte? Sie hätten sich nie mit uns verbündet, wenn wir nicht stärker wären, als unsere Anzahl vermuten lässt.«
»Ich will nicht, dass ...«
Er legte mir tatsächlich den Finger auf die Lippen. »Nein, Anita. Wenn das hier vorbei ist und du die wirkliche Nimir-Ra bist, dann wirst du dich selbst um ein paar geeignete Leibwächter kümmern müssen. Bis dahin bekommst du sie von mir.«
Ich zog seine Hand weg. »Ich glaube nicht, dass das nötig ist.«
»Aber ich«, sagte er.
»Ich bin dafür«, meldete sich Cherry.
»Ich auch«, stimmte Micah schließlich zu. Merle und Noah sahen ihn beide seltsam an, dann wechselten sie einen Blick.
»Ich habe nicht zugestimmt«, sagte ich.
Nathaniel neigte sich zu mir. »Wenn du nicht nachgibst, stehen wir in einer Stunde noch hier.«
Ich sah ihn böse an.
Er lächelte und zuckte die Achseln.
Ich wandte mich meiner Leibwächterin zu. Sie sah mich gleichmütig an, als spielte es für sie so oder so keine Rolle. Ein Mann trat neben sie. Er war fünf Zentimeter kleiner als sie, noch breiter in den Schultern und hatte so viele Tattoos, dass ich zuerst glaubte, er hätte ein buntes langärmliges T-Shirt an. Sein Trägerhemd war sehr eng und spannte
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