Anita Blake 11 - Jägerin des Zwielichts
doch das tat er nicht. Er ließ eine Handbreit zwischen uns. Auf meinen fragenden Blick umfing er mit den Fingern behutsam, fast zaghaft mein Gesicht, als hätte er Angst, mich zu berühren. Er senkte den Kopf zu mir herab, seine Fingerspitzen fanden meine Haut. Seine Hände glitten um meine Wangen wie um etwas Zerbrechliches.
Ich hatte ihn bei mir noch nie so vorsichtig, so unsicher erlebt. Als seine Lippen über meinen schwebten, fragte ich mich, ob er das mit Absicht tat, als Kontrast zu Richards kraftvoller Art. Dann berührten mich seine Lippen, und ich hörte auf zu denken. Es war die denkbar sachteste Berührung. Er küsste mich zärtlich. Ich erwiderte den Kuss genauso zögernd, umfasste seine Hände an meinen Wangen. Er hatte seine langen Haare über eine Schulter geworfen, sodass die rechte Gesichtshälfte frei war und die Haare beim Küssen nicht störten. Ich glitt mit den Fingern an seinem Kinn entlang, spürte ganz sanft den Konturen nach, während wir uns küssten. Er erbebte unter der Berührung, und das entlockte mir ein leises Stöhnen. Jean-Claude küsste fester, sodass ich seine Zähne durch die Lippen spürte. Ich öffnete den Mund und ließ ihn herein, fuhr mit der Zunge zwischen den scharfen Spitzen hindurch. Ein Zungenkuss mit einem Vampir war ein gefährliches Vergnügen, das ich ganz gut beherrschte, aber ich war aus der Übung gekommen.
Ich ritzte mir die Zunge. Es war ein kurzer, scharfer Schmerz, und Jean-Claude gab einen leisen Kehllaut von sich, im nächsten Augenblick schmeckte ich Blut.
Plötzlich hatte ich seine Hände am Rücken. Er zog mich an sich. Der Kuss hörte gar nicht mehr auf und wurde immer drängender, fast als wollte er mich aussaugen.
Ich hätte mich vielleicht von ihm gelöst, doch sowie ich seinen ganzen Körper an mir spürte, war alles zu spät. Es gab kein Zurück mehr, kein Nein, nur noch Empfindung. Ich fühlte seine schimmernde Aura wie einen kühlen Wind. Für einen bebenden Augenblick waren wir aneinandergepresst, dann brachen die äußeren Hüllen auf. Stellen Sie sich das vor, als ob Sie beim Sex mit Ihrem Partner buchstäblich verschmelzen, eine ungeahnte und ungewollte Intimität erleben.
Ich schrie, und er ebenfalls. Wir fielen, aber Richard fing uns mit ausgebreiteten Armen auf und ließ uns sanft zum Boden hinab. Die Macht sprang nicht auf ihn über. Warum, wusste ich nicht.
Jean-Claude lag auf mir, hielt mich am Boden fest, die Weichteile an meine gedrückt, und schob meine Beine auseinander, sodass ich das glatte Latex an den Innenseiten der Oberschenkel spürte. Ich wollte ihn in mir haben, mich mit ihm vereinigen, während die Macht uns umschloss.
Er stemmte sich auf die Arme und presste den Unterleib fester an mich. Die Macht schwoll an zu einem prickelnden Rausch, baute sich auf wie ein Orgasmus, den man kommen fühlt, dem man entgegendrängt, ohne hinzugelangen.
Im schummrigen Gegenlicht sah ich Richard als dunklen Schatten zu mir herabkommen. Ich glaube, ich wollte »nein, nicht!« sagen, brachte aber keinen Ton heraus. Er küsste mich, und die Macht loderte um ihn herum, ohne ihn jedoch in die Vereinigung einzubeziehen. Er küsste meine Wange, mein Kinn, meinen Hals, meine Schulter, und plötzlich war mir klar, was er vorhatte. Küssend näherte er sich dem Loch in meiner Aura, das über dem Herzen lag. Jean-Claude hatte bereits das über meinem Schamhügel geschlossen. Richard schob sich mit dem Oberkörper über mich. Seine glatte, feste Brust war so verlockend nah. Ich hob ihr den Mund entgegen und streckte die Zunge aus, während er küssend an mir hinabwanderte, sodass ich eine nasse Linie über seine Haut zog. Er schob die Lippen unter den Holsterriemen und küsste mich in dem Moment über dem Herzen auf die Brust, als ich dasselbe bei ihm tat.
Die Macht schwoll nicht an, sie explodierte. Die Druckwelle schoss in den Raum, während wir im Zentrum der Explosion miteinander verschmolzen. Einen gleißenden Moment lang fühlte ich sie beide in mir und durch mich hindurchgehen wie einen Windstoß, wie pure Macht. Richards elektrisierende Wärme strich über uns hinweg, Jean-Claudes kalte Kräfte strömten über uns und durch uns. Ich war etwas Großes, Anschwellendes, das die Wärme des Lebendigen und die Kälte des Toten in sich hielt. Ich war beides und keines. Wir waren alles und nichts.
Ich weiß nicht, ob ich ohnmächtig wurde oder ob ich aus irgendeinem metaphysischen Grund einen Filmriss
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