Anita Blake 11 - Jägerin des Zwielichts
würden nicht wissen, was sie zuerst tun sollen.«
»Ich bin nicht wie die meisten Leute.«
Wieder schirmte er seinen Blick mit den langen Wimpern ab. »Das ist mir schon aufgefallen.«
Sein Unterton machte mir wieder bewusst, dass er nackt war und ich nur ein Handtuch umhatte. Es wurde Zeit, sich anzuziehen. Ich stand auf und schob die angebotene Hand weg. »Es geht schon, Micah, danke.« Ich schaute zu Cherry und Zane, die noch in der Tür standen. »Habe ich etwas zum Anziehen hier?«
Cherry nickte. »Nathaniel hat dir von zu Hause etwas mitgebracht. Ich hole es.« Sie ging hinaus.
»Waffen auch«, rief ich ihr hinterher.
Sie steckte noch mal den Kopf herein. »Ich weiß.« Jetzt stand nur noch Zane da. »Hast du für mich auch etwas zu tun?«
»Im Augenblick nicht.«
Er lächelte mich so breit an, dass seine zierlichen Reißzähne zum Vorschein kamen. Er hatte ein bisschen zu viel Zeit in Tiergestalt verbracht, sodass die Rückverwandlung nicht mehr vollständig vonstatten ging. »Dann gehe ich Cherry helfen.« Im Umdrehen hielt er noch einmal inne. »Ich bin wirklich froh, dass du nicht tot bist.«
»Ich auch.«
Er grinste und ging.
Also war ich mit Micah allein. Als ich in seine gelbgrünen Augen sah, begriff ich, dass er ebenfalls zu viel Zeit in Tiergestalt verbracht hatte. Da wir uns noch nicht geküsst hatten, wusste ich nicht, ob er auch diese spitzen Eckzähne hatte. Hoffentlich nicht, dachte ich und wunderte mich, wieso.
»Hast du was dagegen, wenn ich mit Duschen anfange?«, fragte er.
Ich schüttelte den Kopf. »Nur zu. Ich gehe mich jetzt anziehen.« Da kam Nathaniel mit meinem Handy herein.
Ich hatte es erst ein paar Monate. Ich war einem Kauf bis dahin ausgewichen. Wenn man ein Handy und einen Piepser hat, ist man nie wirklich außer Dienst. Zurzeit hatte ich Urlaub. Erholsam war der bisher nicht gewesen.
Ich klappte das Ding auf und wählte Richards Nummer aus dem Gedächtnis. Es schaltete sich der Anrufbeantworter ein. Ich hinterließ eine Nachricht, dann wusste ich, was ich tun würde. Ich wollte wissen, was sie mit Gregory gemacht hatten. Ich dachte an Richard, das Gefühl seiner Arme, den Geruch seiner Haut, das Kitzeln seiner Haare und wurde von einer Woge seiner Energie überrollt. Ich tastete mich an den verknüpften Zeichen entlang und fand Richard auf einer Bühne stehen. Er stritt mit jemandem, den ich nicht sehen konnte. Bei Richard bekam ich nie so ein klares Bild wie bei Jean-Claude. Richard drehte sich um, als stünde ich hinter ihm, dann stieß er mich weg und schirmte sich so stark ab, dass ich ihn nicht mehr erreichen konnte.
Nathaniel fasste nach meinem Arm und stützte mich. »Alles in Ordnung mit dir?«
Ich nickte. Derartig zurückgestoßen zu werden löste Schwindel aus. Richard wusste das genau. Verdammter Mist. »Es geht schon.« Ich zog mich von Nathaniel zurück und rief die Auskunft wegen der Nummer des Lunatic Cafés an. Richard war im Versammlungsraum hinter dem Restaurant. Es hatte früher Raina gehört, und nach den Gesetzen des Rudels wäre es in meinen Besitz übergegangen, wenn ich sie nicht mit einer Schusswaffe getötet hätte. Man muss Mann gegen Mann mit den Klauen oder höchstens mit einem Messer gesiegt haben, um alles zu bekommen, was dem anderen gehört hat. Das heißt, seinen Besitz. Seine Kräfte erbt man nicht. Das geht nicht. Schusswaffen werden jedenfalls als unfair angesehen, und darum habe ich Raina nicht beerbt.
Richard nahm beim zweiten Klingeln ab, als hätte er auf den Anruf gewartet. »Richard, hier ist Anita.«
»Ich weiß.« Er klang wütend und abweisend.
»Wir müssen miteinander reden.«
»Ich habe zu tun, Anita.«
Na schön, wenn er es unbedingt barsch und feindselig wollte, bitte. »Wo ist Gregory?«
»Kann ich dir nicht sagen.«
»Warum?«
»Weil du versuchen könntest, ihn zu befreien, und du bist nicht mehr die Lupa. Das Rudel würde dich angreifen, und ich will nicht, dass du hier um dich ballerst.«
»Lass meine Leoparden in Frieden, dann lasse ich deine Wölfe in Frieden.«
»Anita, so einfach ist das nicht.«
»Ich kenne die Geschichte bereits, Richard. Du bist ausgerastet, als du gehört hast, Gregory könnte mich infiziert haben. Du hast ihn durch deine Vollstrecker holen lassen und ihm vorgeworfen, deine Lupa getötet zu haben. Was einfach albern ist, da ich nicht tot bin.«
»Weißt du,
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