Ankwin - Tod eines Kriegers (German Edition)
über sich selbst. Da saß sie zum Nichtstun verdammt im Seelengarten, stand kurz davor das Leben eines Mannes zu beenden, dem sie wahrscheinlich falsche Hoffnungen auf ein Weiterleben gemacht hatte, und schwärmte wie ein Backfisch von dem Mann, mit dem sie fast nur gestritten hatte und der im Begriff war, sie zu enttäuschen.
Die junge Novizin stand auf und raffte ungeduldig ihre ausgebreiteten Aufzeichnungen zusammen. Es war zwar noch Vormittag, aber sie musste noch etwas essen. Der Tag würde lange werden.
***
Die dampfende Schale mit dem köstlich duftenden Fleischeintopf ruhte verlockend in ihren Händen. Sie zog ihren Löffel aus der Tasche und tauchte ihn langsam in die braunrote Masse. Ihr Magen bestätigte ihre Vorfreude durch ein lautes Gluckern. Langsam hob sie den vollen Löffel heraus und pustete ihn an, dann schob sie ihn vorsichtig in ihren Mund. Der deftige Inhalt verteilte sich auf ihrer Zunge. Ein leises ‚Mmh‘ entstieg Lavielles Kehle und begierig biss sie in das frische Brot, das ihr zu dem Eintopf gegeben worden war. Es war herrlich knusprig und sein Aroma vermengte sich mit dem des Fleisches und der Zwiebeln. Wenn sie eines gelernt hatte in ihrer Ausbildung, dann, dass Essen zu schade war, um es mit sorgenvollen Gedanken hinunter zu schlingen.
Der Topf war halbleer und das Brot schon fast ganz aufgegessen, als die junge Novizin ihre Mitte gefunden hatte und beinahe zufrieden auf einer Treppe am Rande des großen Ratsplatzes saß. Lavielle schob sich den nächsten Löffel voller Eintopf in den Mund und ...
»Hab’ ich Euch gefunden!« Ankwin saß wie aus dem Nichts neben ihr.
Lavielle quittierte sein plötzliches Erscheinen mit einem furchtbaren Hustenanfall. Hätte er ihr den Topf nicht aus der Hand genommen, hätte sie wohl einen großen Fleischsoßenfleck auf ihrer weißen Robe gehabt.
Unbeholfen wollte der Krieger ihr auf den Rücken klopfen, entschied sich dann aber wieder dagegen. Hilflos sah er sich um.
Die schöne Frau sah im Augenblick gar nicht mehr so schön aus. Ihre Augen waren hervor getreten und ihr Kopf hochrot. Die Adern an ihrem Hals waren dick. Sie gestikulierte wild, während sie ständig hustete und gleichzeitig nach Luft schnappte.
Menschen, die vorübergingen, hielten an und begannen besorgt, irgendwelche Ratschläge zu geben. Ein paar fingen sogar an, Ankwin zu beschimpfen.
Ankwin war inzwischen aufgestanden und blickte sich immer hektischer um. Da stand er nun, ein ausgebildeter Krieger, einen Kopf größer als die meisten Männer, die Kraft eines Ebers und Anmut eines Hirsches – Ankwin konnte blind fechten und kannte sich mit Pferden aus wie nur wenige in dieser Stadt – und er war völlig ratlos, was er mit einer hustenden Frau machen sollte.
Schließlich bemerkte er den halbvollen Topf in seiner Hand. Kurz entschlossen kippte er ihn auf die Straße und rannte zu einem der Brunnen, um Wasser zu schöpfen. Schon einen Moment später reichte er Lavielle das Wasser, woraufhin sie begierig trank.
Nach einem sonderbaren Moment der Stille konnte sie wieder Luft holen und funkelte ihn keuchend an. Die Wut stand Lavielle ins Gesicht geschrieben und sie hatte einen rotbraunen Rand um ihren wunderschönen Mund. Ihr Haar war durcheinandergeraten. Es war das Schönste, was Ankwin je gesehen hatte.
Entsprechend verzückt blickte er sie an.
Als Lavielles Blick sich noch weiter verfinsterte, sie sich aber noch räuspern musste, nutze er schnell die Gelegenheit, das Wort zu ergreifen. »Verzeiht, werte Lavielle, doch nach dem Besuch beim Erzherzog kam ich voller Zuversicht und Vorfreude in die Stadt zurück und wurde prompt von meinem Onkel durch sämtliche seiner Besitztümer in der Stadt geschleift. Und das sind, bei Hann, wirklich nicht wenige. Ich konnte mich da nicht einfach so davon machen.
Ihr könnt Euch das bestimmt vorstellen, hier ein Becher Wein, dort ein kurzes Essen, da ein ‚Das ist mein Neffe, ist er nicht ein Prachtbursche vom Lande, was?’ ...«
Ankwin hatte seinen Onkel in vortrefflicher Weise nachgeahmt und wurde augenblicklich von Lavielles versöhnlichem Prusten unterbrochen.
***
Plikon stand in der Mittagssonne und der Schweiß begann ihm langsam den Rücken hinunter zulaufen. Er hatte nach der Eröffnung der Sitzung bereits einen Unteroffizier der Wache befragt, der bei der Patrouille dabei gewesen war.
Dieser hatte seinen Standpunkt wie erwartet bestätigt. Doch es war Plikon noch nicht gelungen, die von der Verteidigerin
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