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Anlass

Anlass

Titel: Anlass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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kalte Dusche vertrieb für einige Zeit das Verlangen nach Schlaf.
    Wir hatten besprochen, daß es klüger wäre, wenn Zaleshoff allein auf die Bank ginge, und ich ging indessen im öffentlichen Park spazieren. Bald nach zwölf Uhr traf er mich dort und zeigte mir strahlend seine dick gefüllte Brieftasche. Beim Lunch setzte er mir seinen weiteren Schlachtplan auseinander.
    »Zuerst«, sagte er, »müssen wir nochmals die Kleider wechseln. Ich glaube zwar nicht, daß man uns bis hierher nachgespürt hat, aber es kann nicht schaden. Außerdem würden diese Anzüge an unserem Bestimmungsort merkwürdig aussehen.«
    »Wo fahren wir denn hin?«
    »In die Berge.«
    Er brachte wieder die Karte zum Vorschein. Ich blickte darauf, während er mit dem Stiel einer Gabel eine Linie in nordöstlicher Richtung gegen die jugoslawische Grenze zog.
    »Das ist ja alles ganz schön«, warf ich ein. »Aber warum über Berge klettern, wenn wir ganz einfach nach Osten in Richtung Laibach gehen können?«
    »Das will ich Ihnen sagen. Die Linie Gorizia-Laibach mag kürzer sein, aber dort müßten wir die Grenze zwischen Godovici und Planina passieren. Die Grenze verläuft dort schnurgerade, und auf italienischer Seite läuft parallel dazu eine Straße. Das bedeutet, daß sie sehr leicht zu überwachen ist. Wenn wir in nordöstlicher Richtung gehen, ist die Grenze zwischen Fusine und Kranjska auch nicht weiter von Udine entfernt, und für unsere Zwecke ist das Gelände dort geeigneter. Eine Gebirgsgrenze ist vom militärischen Standpunkt aus ideal, aber sie ist verdammt schwer zu überwachen. Wir werden als Touristen gehen. Sprechen Sie deutsch?«
    »Kein Wort.«
    »Schade. Deutsche Touristen sind häufiger. Wir werden, so gut es geht, mit unserm Italienisch auszukommen suchen. Was die Ausrüstung anbelangt, so brauchen wir Kniehosen, Skistiefel, Pullover, Stöcke – ja, und Rucksäcke.«
    »Rucksäcke?«
    »Ja. Wir können sie mit Zeitungen ausstopfen. Übrigens, apropos Zeitungen. In den heutigen Morgenblättern steht mein Name. Und was glauben Sie? Saponi wurde verhaftet. Das ist zum Lachen, nicht wahr? Weil sie seinen Namen auf meiner Bürotür fanden, dachten sie vermutlich, daß er etwas mit der Sache zu tun hat. Sie werden ihn wieder laufen lassen, aber« – er lachte in sich hinein – »das geschieht dem Gauner ganz recht.« Er sah so fröhlich aus wie ein kleiner Junge mit einer neuen Schleuder.
    Ich schaute ihn argwöhnisch an. »Sie haben doch gesagt, Ihre Unglücksgeschichte sei erfunden.«
    »Ja, aber nicht der Teil, der Saponi betrifft. Er hat mich reingelegt, gut. Er glaubte, er habe einem Trottel die Agentur verkauft, und ich ließ ihn in dem Glauben, denn es war mir ganz recht so.«
    »Es paßte wohl zu Ihrer Rolle als respektabler amerikanischer Bürger?« bemerkte ich sarkastisch, und mir schien, als rötete sich sein Nacken leicht. Ohne zu antworten zog er aber einen Notizzettel aus der Tasche.
    »Ich habe mich am Bahnhof erkundigt. Um drei Uhr fünf geht ein Zug nach Villach in Deutschland. Er hält in Tarvisio, etwa zwölf Kilometer von der jugoslawischen Grenze. Wir dürften um fünf Uhr in Tarvisio sein. Es ist ein langsamer Zug. Dann können wir die Wanderung beginnen. Nach dem Eindunkeln werden wir die Grenze überschreiten.« Er sah mich munter an. »Jetzt haben wir das Schlimmste hinter uns. Sagte ich nicht, ich würde Sie rausbringen? Der Rest ist leicht.«
    »Gut.«
    Ich fand seinen Jubel etwas verfrüht, und für einmal hatte ich recht. Aber ich verriet meine Gedanken nicht. Es hätte keinen Unterschied gemacht, wenn ich es gesagt hätte. Ich erinnerte mich plötzlich, daß ich nichts unternommen hatte, um mit Claire in Verbindung zu kommen. Ich erwähnte die Tatsache.
    »Sie können morgen von Belgrad aus telefonieren. Das ist schneller als ein Brief, und der Anruf geht auf meine Kosten.«
    Was sollte ich darauf schon sagen?
    Eine Stunde später verließen wir in unserer neuen Aufmachung die öffentliche Bedürfnisanstalt. Zaleshoff hatte der Ausrüstung Schirmmützen hinzugefügt. Ich fand, wir sahen außerordentlich albern und sehr auffallend aus, und ich sagte es ihm auch. Er wollte davon nichts hören.
    »Das ist nur, weil Sie ein verklemmter Engländer sind«, konstatierte er. »Wenn wir erst in die Berge kommen, wird es ganz natürlich aussehen.«
    Während des ersten Teiles der Reise teilten wir das Abteil mit einem alten Ehepaar samt Schwiegersohn. Sie nahmen keine Notiz von uns. Die Frau und der

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