Anleitung zum Alleinsein
Gebäude, das zwei Schneider, einen Immobilienmakler, einen Antiquitätenhändler, einen Partyservice und einen Fischverkäufer beherbergt. Wenn ich auf dem Fußboden liege und mich entspanne, indem ich meinem Atem lausche, höre ich die langsamere Atmung der Stadt, ein Geräusch wie das Grollen von Brandung: U-Bahn -Züge voller Menschen, die sich selbst beibringen, wie man hier lebt.
(1995)
Verwertet
[N icht viele Lagerhäuser kostümieren sich als Château, und von diesen wenigen ist das Mercer Museum in Doylestown, Pennsylvania, sicherlich eines der größten. Das Museum ist dreißig Meter hoch, hat die glatte Fassade und die eckigen Türmchen einer Besserungsanstalt oder Sandburg und besteht ganz aus Schüttbeton. Ein reicher Exzentriker namens Henry Mercer hat es im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts gebaut, teils als Werbung für Beton, teils als Behausung für seine unvergleichliche Sammlung von Gebrauchsgegenständen, die im Zuge der amerikanischen Industrialisierung nutzlos geworden sind. Mercer hat die Scheunen und Versteigerungen seiner sich wandelnden Welt abgegrast und jede erdenkliche Art von Schusterleisten, Apfelmostpressen und Schmiedebälgen nach Bucks County geschafft, auch ein Walfangboot samt Harpunen. Im höchsten Turm des Museums findet sich ein Galgen mit Falltür und ein Leichenpferdewagen. Dutzende handgefertigter Schlitten und Wiegen sind, wie von einem Poltergeist, an der gewölbten Betondecke des sieben Stockwerke hohen Atriums angebracht.
Im Mercer kann es sehr eisig sein. Als ich kürzlich an einem Dezembernachmittag dort war, widmete ich mich gegen Ende meines Besuchs den Exponaten im Erdgeschoss, wo die Heizöfen stehen. Hier begegnete ich meinem Telefon, das in einem Glaskasten mit der Aufschrift VERALTETE TECHNIK stand.
Mein Telefon ist ein schwarzes Standardmodell von AT&T mit Wählscheibe, 1982 von New England Bell gemietet, dann, im Chaos des Zusammenbruchs von Ma Bell, zwei Jahre später erworben. (Ich meine mich daran zu erinnern, dass ich nichts dafür bezahlt habe.) Ein identisches Gerät hockte im Mercerwackelig auf einem Stapel Achtspur-Tonbänder – eine Kombination, die mich sogleich schmerzte. Achtspur-Tonbänder sind eins der himmelschreienden Klischees von etwas, das veraltet ist. Ein Wählscheibentelefon hingegen verrichtete in meinem Wohnzimmer noch immer stolz seinen Dienst. Es ist noch nicht lange her, da bestellte ich mit ihm direkt aus Silicon Valley Peripheriegeräte für meinen Computer, was doch ganz schön modern war.
Die Art, wie man es im Mercer ausgestellt hatte, war eine offensichtliche Provokation. Doch je mehr ich versuchte, sie abzutun, desto schärfer fühlte ich mich angeklagt. Beispielsweise wurde mir bewusst, wie viel repressive Energie es mich kostete, meine Gänge zum Tonwahlgerät im Schlafzimmer zu verdrängen, auf das ich zum Abfragen von Konto-, Flug- und Bahnauskünften neuerdings zurückgriff. Ich wurde mir der zusätzlichen Energie bewusst, die ich darauf verwandte, die Voice-Mail-Systeme zu hassen, weil sie ein Wählscheibentelefon zu einem Gegenstand zweiter Klasse machen («bitte bleiben Sie in der Leitung, ein Mitarbeiter kümmert sich gleich um Sie»). Mit einem Wort, ich wurde mir meiner Koabhängigkeit bewusst. Mein Wählscheibentelefon verlor zunehmend die Fähigkeit, mit der modernen Welt zurechtzukommen, ich aber hielt weiter zu ihm und ließ es, weil ich es mochte und Angst vor Veränderungen hatte, im Erdgeschoss sichtbar stehen. Aber es war nicht das Einzige, das ich so schützte. Mir wurde jäh bewusst, dass ich eine ganze dysfunktionale Familie veralteter Geräte hatte.
Mein Fernseher war ein wuchtiges altes Ding, das nur Schneegeriesel brachte, es sei denn, das Verlängerungskabel, das als Antenne diente, hatte direkten Kontakt mit meiner Haut. Kann man sich, so frage ich mich, eine düsterere Vision von Koabhängigkeit vorstellen als die zahllosen Stunden, die ich, spitze Litzen Kupferdraht zwischen Daumen und Zeigefinger geklemmt, hinter mir habe, um meinem Fernseher zu Bildern zu verhelfen?Was meinen Videorecorder angeht, traf es sich, dass der Freund, mit dem ich das Mercer besuchte, just am Abend davor, aus Los Angeles kommend, mit einem Videorecorder in einer Plastiktüte aus dem Flugzeug gestiegen war. Er schenkte ihn mir, damit ich nicht mehr davon redete, keinen zu haben.
Noch immer aber rede ich davon, keinen C D-Player zu besitzen, und auch keine CDs. Aber seit über einem Jahr finde ich mich
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