Anne Gracie
alle Ewigkeit
verfolgen; sie würde sich das niemals verzeihen können.
Harry saß
neben ihr, redete mit ruhiger Bestimmtheit darüber, was der kommende Tag
bringen konnte, und setzte ihr Speisen vor, von denen er hoffte, dass sie Nells
Appetit anregten. Obwohl die Angst jeglichen Hunger vertrieben hatte, aß Nell,
um ihm eine Freude zu machen. Außerdem wusste sie selbst, dass sie etwas essen
musste.
Sie mochte
von Schuldgefühlen, Ängsten und Zweifel geplagt sein, doch sie würde ihre
Tochter niemals aufgeben. Sie würde weitersuchen bis zum letzten Atemzug.
13. Kapitel
m
folgenden Morgen
erwachte Nell vom sanften Prasseln des Regens an ihr Schlafzimmerfenster.
Es war zu
nass, um im Park zu reiten. Sie beschloss, dass „es“ an diesem Morgen
passieren sollte. Das wenigstens war sie ihm schuldig.
Harry lag
auf der Seite. Ein Arm ruhte über ihrem Kopf auf dem Kissen,
den anderen hatte er locker über ihre Taille gelegt. Nell schmiegte sich mit
dem Rücken an ihn. Sein entspannter, fester Körper war ein Quell der Wärme und
des Trostes für sie. Ihre Füße klemmten zwischen seinen Waden, sie fühlte sich
sicher und geborgen.
Sie drehte
den Kopf, bettete die Wange auf seinen Arm und atmete seinen sauberen,
männlichen Duft ein, der ihr inzwischen so vertraut war, so lieb und teuer.
Wenn Harry
neben ihr schlief, fühlte sie sich nicht so einsam und allein. Erstaunlich, in
wie kurzer Zeit sie sich daran gewöhnt hatte, mit einem Mann in ihrem Bett zu
schlafen.
Oder
besser, neben einem Mann aufzuwachen. Jede Nacht ging sie allein zu Bett, und
jeden Morgen wachte sie ausgeruht in seinen Armen auf. Das hieß wohl, dass sie
immer noch schlafwandelte.
Sein Atem
ging ruhig und gleichmäßig. Wie immer spürte sie seine
Erregung in ihrem Rücken. Das faszinierte sie. Sie wusste, wie Pferde und Hunde
sich vermehrten, wie es schien, war das bei Menschen ganz ähnlich. Nur warum
ausgerechnet sie ihn so erregte ...
Das Warum
spielt keine Rolle, sagte sie sich. Er war ihretwegen erregt, und deswegen würden
sie an diesem Morgen ... wie lautete das korrekte Wort dafür? Miteinander
verkehren?
Er bewegte
sich im Schlaf. Seine Beine streiften ihre Schenkel und sie erschauerte. Das
Gefühl war ganz und gar nicht unangenehm. Nach wie vor spürte sie sein Begehren,
noch heftiger jetzt als zuvor.
Es war an
der Zeit, darauf entsprechend zu reagieren.
Nell atmete
tief durch und drehte sich zu ihm um. Er war wach und beobachtete sie.
„Guten
Morgen“, wünschte er mit tiefer, etwas heiserer Stimme. Er strich ihr eine
Haarsträhne aus dem Gesicht und klemmte sie ihr behutsam hinters Ohr. „Hast du
gut geschlafen?“
„Ja, vielen
Dank.“ Jetzt spürte sie seine Erregung an ihrem Bauch, und sie zuckte
unwillkürlich zusammen.
„Ich bringe
dich in Verlegenheit“, sagte er sofort. „Ich stehe lieber auf.“ Er
rückte ein Stück von ihr ab.
„N...nein,
bleib.“ Ihre Stimme klang dünn.
Harry
runzelte die Stirn. Sie wirkte starr vor Angst. Er sah sich im Zimmer um, aber
alles war ruhig und still. „Was hast du?“
„Nichts.“
Sie schluckte. „Ich möchte mit dir v...verkehren.“
Er
betrachtete prüfend ihr Gesicht. „Nein, das möchtest du nicht“, stellte er
nach einer Weile fest. Sie war vollkommen angespannt. Das war er auch,
allerdings auf ganz andere Art.
„Doch, das
möchte ich wirklich. Du bist so freundlich zu mir gewesen, so gut.“ Ihre
Augen waren ganz groß, klar und wirkten besorgt. „Ich möchte dir danken und da
ich weiß, dass du mich begehrst ...“ Sie schluckte erneut.
Sie war
„dankbar“ . Harry versuchte, sich nichts von seinen Gefühlen anmerken zu
lassen. Er ärgerte sich, nicht über sie, sondern über sich selbst, weil er das
nicht hatte kommen sehen.
Sie wollte
sich bei ihm bedanken –
Weitere Kostenlose Bücher