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Antarktis 2020

Antarktis 2020

Titel: Antarktis 2020 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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sich Aïfe befindet. – Nach Norden, sagst du, sind sie gezogen?«
    Thomas fuhr mit dem Finger auf der Karte umher, von ihrem Standpunkt aus nach Norden. »Ein gutes Kamel – und sie haben gute – läuft sechzig Kilometer am Tag. Bis heute mittag könnten sie demnach hundertzwanzig Kilometer von Achourat entfernt…« Er nahm einen Zirkel und zog um das Dorf einen Halbkreis. »Wenn sie die Marschrichtung beibehalten haben, sind sie hier in dieser Gegend.« Er stipste abermals mit dem Finger auf die Karte, mitten in gelbe Wüste ohne jede kartographische Kontur hinein.
    »Für ein ordentliches LUMO ein Katzensprung«, bemerkte Deland, und er lächelte. Er ahnte, worauf hinaus Thomas mit seinen Erwägungen und der Kartenleserei wollte.
    »Und haben wir nicht ein ordentliches LUMO…?« fragte Thomas, und lächelte ebenfalls.
    René Tours blickte auf. Sein Gesicht war leicht gerötet. »Ihr würdet…?« fragte er ungläubig. Seine Augen blitzten erwartungsvoll.
    Thomas winkte beschwichtigend ab. »Würden schon, das ist eine Sache, dürfen die andere!« Und zu Deland gewandt, sagte er: »Harry, noch eine Verbindung, diesmal zu GEOMESS.«
    René wollte etwas erwidern, verkniff es sich aber und blickte Deland auffordernd an.
    Deland sah Thomas ins Gesicht: »Ist das nötig?« fragte er. Thomas nickte. »Zustimmen müssen sie«, sagte er, »oder wenigstens wissen, wo wir sind. Stell dir vor, uns stieße irgend etwas zu, und kein Mensch kennt unseren Aufenthaltsort.«
    »Was sollte uns schon zustoßen«, entgegnete Deland, stellte aber nun bereitwillig die Verbindung her.
    Die Leiterin von GEOMESS, Kollegin Knatel, humorlos und permanent grantig, meldete sich, als sei allein die Tatsache, sie am frühen Vormittag sprechen zu wollen, bereits eine unentschuldbare Zumutung. »Ja, bitte, Kollege – wie – ja, Monig – was gibt’s?« fragte sie unpersönlich, beinahe abweisend.
    Thomas bat höflich um die Erlaubnis, mit dem LUMO die Tuareggruppe suchen zu dürfen. Er wolle die Tuareg bewegen, Aïfe freizugeben.
    Der Kollegin Knatel verschlug es offensichtlich die Sprache. Bedauerlich, dachte Thomas, daß die LUMO keine Videoeinrichtung haben. So blieb ihre Reaktion unsichtbar.
    »Augenblick.« Ihre Stimme klang zögernd. Danach sagte sie: »Warum wenden Sie sich nicht an die Sicherheit?« Sie wurde heftiger: »Ich denke, Ihre Aufgabe ist dringend? – Also, ich kann dem nicht zustimmen! Augenblick.« Offenbar beriet sie mit jemandem. Dann sagte sie in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete: »Es bleibt dabei, ich muß das ablehnen.«
    »Bitte, überdenken Sie es. Es kann ein Menschenleben auf dem Spiel stehen«, antwortete Thomas mit Nachdruck.
    »Unsinn«, herrschte sie ihn an. »Dramatisieren Sie nicht. Ich dulde keine Verantwortungslosigkeiten! Und auch keine Konfrontation mit den Tuareg. Ich fordere Disziplin! Ende!«
    Die Verbindung war unterbrochen.
    Auf René Tours’ Gesicht stand grenzenlose Enttäuschung.
    Harry Deland zog die Mundwinkel nach unten und wiegte den Kopf hin und her, als wollte er sagen: Das habe ich vorher gewußt.
    Thomas fühlte sich unschlüssig. Die Aufgabe war wichtig, gewiß, aber auf einen Tag Verzug kam es wirklich nicht an. Der ließ sich durch Überstunden auch noch aufholen. Disziplin war notwendig. Wohin käme ein Projekt wie dieses, wenn jeder machte, was er wollte! Aber Thomas brauchte nur in Renés Gesicht zu blicken, um zu wissen, was er im Augenblick von Disziplin hielt.
    Als hätte Deland Thomas’ Gedanken erraten, sagte er eindringlich: »Tom, sieh mich an. – Hier säße heute ein anderer, den Deland gäb’s nicht mehr, wenn du immer so gehandelt hättest, wie es dir die Disziplin vorschrieb. Es geht hier um Menschen. – Ich stehe hinter dir!«
    Thomas sah ihn an und nickte abwesend. Aber die Knatel hat recht, dachte er. Worum ging es? Um Menschenleben primär auf keinen Fall. René könnte Dummheiten machen, aber die ließen sich verhindern. Aïfe war bei ihren Eltern in sicherster Obhut, sollten sie sich da einmischen? Daß die zwei sich gern hatten, na ja. Von Liebe, die aus irgendwelchen Gründen keine Erfüllung fand, lebten ganze Poetengenerationen, also!
    Plötzlich sah er Evelyn vor sich. Was würdest du machen, Ev? fragte er in Gedanken. Er beantwortete sich die Frage selbst: Denk an uns und handle!
    »Harry«, sagte Thomas bedächtig, »stell mir eine Verbindung mit Pjotr her.«
    Pjotr war nicht leicht aufzufinden. Dann meldete er sich ein wenig atemlos: »Ja,

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