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Anti-Eis

Anti-Eis

Titel: Anti-Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
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lang stand ich da und erwiderte den Blick
der dicht gedrängten Instrumentenskalen, so unsicher wie ein
Barbar, der in einen religiösen Schrein eindringt.
    Aber ich schüttelte diese Stimmung ab und nahm ohne weitere
Verzögerung in Travellers Sitz Platz.
    Als die weiche Polsterung mein Gewicht registrierte, wurde ein
verborgener Schalter betätigt, und die elektrische
Instrumentenbeleuchtung wurde flackernd aktiviert. Ich glaubte ein
Zischen zu vernehmen, als sich in den Röhren der Druck der
diversen hydraulischen Systeme des Schiffes aufbaute.
    Wie ein großes Tier erwachte das Schiff unter meiner
Berührung zum Leben.
    Ich saß in diesem Sessel und überflog besorgt die
Instrumentenkonstellation. Aber ich hatte Traveller dieses Schiff vom
Mond zur Erde fliegen sehen, und es war mir ziemlich leicht
vorgekommen; da würde ich sicher keine Schwierigkeiten haben,
den Katzensprung über den Ärmelkanal
durchzuführen!
    Mit neuerlicher Entschlossenheit wandte ich mich den Steuerhebeln
neben dem Sitz zu. Diese Hebel liefen in Griffschalen aus Gummi aus,
die etwas zu groß für meine Hände waren. Auf den
Griffen waren kleine Stahlhebel montiert; diese, so erinnerte ich
mich, regelten die Zündung und den Schub der Raketenmotoren der Phaeton.
    Als ich die Hände um die Griffe schloß, spürte ich
Schweiß auf den Handflächen.
    Ich drückte die Stahlhebel.
    Die Raketen erwachten brüllend. Ein heftiges Zittern lief
durch das Schiff.
    »Ned!«
    Traveller kletterte ungelenk durch die zur Raucherkabine
führende Luke. Er hatte den Hut verloren, und weiße
Haarsträhnen hingen ihm in die Stirn. Er atmete schwer, wobei
Schweiß über seine Platinnase tröpfelte; und der
Blick, mit dem er mich fixierte, war so intensiv wie Sonnenlicht.
    »Versucht nicht, mich aufzuhalten, Traveller!«
    »Ned.« Nun stand er auf dem Deck und überragte
mich. Mit einer Stimme, deren Kraft das Dröhnen der Motoren
neutralisierte, befahl er: »Steht von meinem Sessel
auf.«
    »Ihr habt mir erzählt, welche Pläne Gladstone
verfolgt. Als anständiger Engländer kann ich nicht einfach
zusehen und eine solche Grausamkeit ungehindert geschehen lassen. Ich
habe vor, nach Frankreich zu fliegen und…«
    »Und was?« Jetzt beugte er sich über mich, wobei
sich der Schweiß unter seinen tiefliegenden Augen sammelte.
»Was dann, Ned? Wollt Ihr die Phaeton benutzen, um
Gladstones Granaten in der Luft zu zerstören? Denkt doch mal
nach, verdammt; was außer Eurem eigenen Tod könntet Ihr
denn in dem daraus resultierenden Holocaust erreichen?«
    Ich schob das Kinn vor und sagte: »Aber zumindest könnte
ich vielleicht die französischen Behörden
warnen…«
    »Welche Behörden denn? Ned, zur Zeit existieren keine
Behörden in Frankreich! Und was die Preußen
betrifft…«
    »Es wird wenigstens eine Warnung erfolgen. Und ich kann
vielleicht ein paar Seelen vor der bevorstehenden Vernichtung retten
und somit einen kleinen Teil von Englands verlorener Ehre
wiederherstellen.«
    Sein Mund zuckte; und dann schien er seinem Zorn Luft zu machen.
»Ned, Ihr seid ein Narr, aber es gibt wohl schlechtere Wege,
sein Leben wegzuwerfen… Und dann ist da natürlich noch Eure
Françoise.«
    Mit flammendem Blick, als ob ich ihn davor warnen wollte, mich zu
verspotten, sagte ich: »Mademoiselle Michelet ist für mich
zu einem Symbol all jener Unglücklichen geworden, die in diesem
Krieg leiden müssen. Wenn sie sich noch immer an Bord des
gekaperten Landkreuzers befindet, verspreche ich, sie zu retten
– oder dabei zu sterben!«
    »Oh, Ihr verdammter Idiot. Ich sage Euch, daß die
verfluchte Frau genau da ist, wo sie sein will: Sie wird Euch
abschießen, wenn Ihr Euch ihr nähert und dabei wie ein
Depp grinst.« Sein Blick wurde noch intensiver, und etwas von
dieser verborgenen Menschenkenntnis, die ich früher bereits an
ihm erkannt hatte, lag in diesen Augen. »Ah, das macht aber auch
nichts. Nicht wahr? Es ist gar nicht der Gedanke an die Rettung, der
Euch umtreibt. Ihr müßt die Wahrheit über Eure
Françoise erfahren…«
    Mir mißfiel dieser Einblick in meine Seele. »Laßt
mich in Ruhe, Traveller! Ihr könnt mich nicht
aufhalten.«
    »Ned…« Traveller streckte unsicher die Hände
aus. »Ihr könnt das Schiff überhaupt nicht fliegen.
Ihr würdet es zerstören, noch bevor Ihr in der Luft seid!
Ihr habt ja nicht einmal die Luken geschlossen.«
    »Traveller, versucht nicht, mich aufzuhalten! – Ich
schlage vor, Ihr geht zu Eurem Freund, dem Premierminister, und

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