Anubis - Wächter im Totenreich
mich am wohlsten.«
»Da haben Sie direkt ein Grab dabei«, meinte Suko ein wenig sarkastisch.
Das Gespräch plätscherte so dahin. Das Essen und die Luft hatten mich auch müde gemacht. So beschloß ich, einige Zeit auf dem Oberdeck zu verbringen. Suko wollte mitgehen. Der Professor mußte erst noch Tee trinken.
Es hatte sich abgekühlt. Ein wunderschöner samtblauer Himmel lag über uns. Bedeckt mit funkelnden Sternen und einem fahlen, leicht abnehmenden Mond.
Eine wunderschöne Nacht zu der auch die Geräusche paßten. Das Klatschen der Wellen gegen den Schiffsrumpf, das Rauschen des Wassers, das Dröhnen der Motoren, das seltsamerweise nicht störend wirkte. Hin und wieder erschienen Lichter am Ufer. Sie wirkten fast so wie die Sterne am dunkelblauen Firmament. Musikklänge wehten zu uns hoch. Auf dem obersten Deck eilten Stewards geschäftig mit Tabletts hin und her. Sie boten Getränke an.
Ich nahm mir ein Glas. Die Flüssigkeit schimmerte rötlich. Als ich sie probierte, hatte ich das Gefühl, öl zu trinken. Nein, das Zeug mochte ich nicht, deshalb stellte ich es wieder weg.
»Fast wie im Urlaub«, sagte Suko, als wir nebeneinander über das Deck schlenderten.
»Fehlt nur noch Anubis.«
»Daß du immer an so etwas denken mußt!«
»Liegt doch nahe, oder?«
»Sicher.«
Wir näherten uns mittlerweile der Brücke. Gewaltig wuchsen die Aufbauten vor uns in die Höhe. Hoch über ihr drehte sich eine moderne Radarantenne. Es gab auch weniger moderne Boote und Schiffe, die über den Nil tuckerten. Ziemlich alte Kähne. Ich erinnerte mich noch deutlich an ein Schiffsunglück, das vor einigen Monaten geschehen war. Einer der alten Kähne hatte Feuer gefangen und war gesunken. Dabei hatte es zahlreiche Tote gegeben.
Der Strom gurgelte und schmatzte. Wir waren die einzigen Gäste, die so nahe an die Brücke herangingen. Das war schon fast Sperrgebiet. Zwei Matrosen beobachteten uns auch dementsprechend skeptisch, griffen aber nicht ein, sondern blieben breitbeinig und mit verschränkten Armen stehen.
Bis plötzlich eine Stimme aufklang. Über ein Megaphon erreichte sie die beiden Matrosen, die sich für einen Moment anschauten und dann losstürzten. Suko und ich hatten nicht verstanden, was gesagt worden war. Der Reaktion der beiden nach zu urteilen, konnte es sich um eine Alarmmeldung handeln.
Suko und ich schauten uns nur an. Bei irgendwelchen Dingen, die außerhalb der Norm lagen, reagierten wir immer skeptisch, auch vorsichtig und dennoch spontan.
Deshalb verfolgten wir auch den Weg der zwei Matrosen. Wir sahen sie dicht an der Steuerbord-Reling. Einer hielt etwas in der Hand, einen runden Gegenstand, der an einer Leine befestigt war. Die Leine behielt er auch, den Gegenstand aber schleuderte er über Bord in den Fluß hinein.
Bevor er völlig verschwunden war, erkannten wir, daß es sich bei ihm um einen rotweißen Rettungsring handelte.
Da wurde jemand aufgefischt.
Wir sahen den Mann einen Moment später, als wir ebenfalls an der Reling standen.
Er hatte schon durch langes Schwimmen ziemlich viel Kraft verloren, schlug nur noch mit den Armen um sich, damit er sich an der Wasserfläche halten konnte.
Daß er den Ring so schnell zu fassen bekam, konnte er dem Werfer verdanken, der sehr gut gezielt hatte. Jetzt klammerte sich der Mann daran fest und wurde hochgehievt.
Ein gefährliches Unterfangen, denn das Boot machte weiterhin Fahrt. Wenn der Mann gegen die Bordwand knallte, konnte er sich den Schädel aufschlagen.
Die waren verrückt. Weshalb stoppten sie nicht die Fahrt, um dem Verletzten normal an Bord zu helfen?
Den genauen Grund erfuhr ich später. Zunächst einmal klingelte es auf der Brücke.
Das hörte sich nach Alarm an. Suko und ich drehten die Köpfe und schauten hin.
Durch die Helligkeit hinter den Scheiben geisterten Schatten. Die Offiziere waren aufgeregt, irgend etwas mußte sie furchtbar stören, und dann verlor das Schiff an Fahrt.
Endlich.
Die beiden Matrosen schrien dem Schwimmer etwas zu. Hoffentlich gingen die Worte nicht in der Geräuschkulisse unter. An den ruckartigen, dennoch gleichmäßigen Bewegungen der Matrosen erkannten wir, daß sie den Mann weiter in die Höhe hievten. Sie hatten ihre Mühe dabei. Ihre Gesichter waren vor Anstrengung verzerrt. Suko sprang hinzu und half ihnen.
Jetzt lief es besser.
Der Mann wurde über die Reling gehoben. Er war erschöpft, aber nicht bewußtlos. Von allein konnte er sich nicht auf den Beinen halten. Kaum hatte er Kontakt
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