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Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Titel: Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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losging, sagte sie immer: ›Also, dann tschüss, mein Lieber. Falls wir uns nicht mehr sehen sollten, passen Sie gut auf sich auf, Stephen.‹ Und sie hatte immer die gleiche Tasche bei sich. So ein kleines Köfferchen und ihren schwarzen Schirm, als wollte sie eine Reise unternehmen. Aber jeden Tag kam sie nach ein paar Stunden wieder zurück. Wir haben uns vor allem Sorgen gemacht, dass sie sich verirrt. Manche Taxifahrer hielten an, wenn sie sie sahen, und sagten: ›Steig ein, Lil, ich bring dich nach Hause.‹ Und wenn sie so weit war, dann stieg sie ein und sagte: ›Ich werde wohl heute nicht mehr sehr weit kommen. Heute noch nicht. Ich versuche es morgen wieder.‹ So war das jedes Mal, immer genau gleich. Das haben alle erzählt. Und dann haben sie sie zurückgebracht. In gewisser Weise fand ich es angenehm, dass es in unserer Gesellschaft immerhin noch so viel Rücksichtnahme und Verantwortungsbewusstsein gibt, jedenfalls bei den einfachen Leuten hier in der Gegend. Alle haben Ihre Tante gekannt.«
    »Und was ist mit den Blumen? Das müssen ja Tausende sein.«
    Stephen zuckte mit den Achseln. »Sie hat mir nie gesagt, wofür die sind oder warum sie sie sammelte. Aber sie hat sie immer mitgebracht, solange ich mich erinnere. Es waren immer Rosen. Zweimal wurde sie aufgegriffen, weil sie sie im Vorgarten des Chesterfield House in Mayfair gepflückt hat. Glücklicherweise kenne ich den Chefportier dort, und so hat sie keinen Ärger bekommen. Aber manchmal wurde es schwierig. Sie hat sie manchmal auch aus Mülltonnen geholt oder ist aus Blumengeschäften gelaufen und hat vergessen zu bezahlen.«
    »Wie ist sie denn gestorben? Auf dem Totenschein steht Herzstillstand.«
    Stephen strich sich über den Mund. Er vermied, ihr in die Augen zu sehen. Er versuchte zweimal, sie anzublicken, aber es gelang ihm nicht.
    »Bitte, Stephen, erzählen Sie es mir.«
    »Sie ist auf dem Rücksitz eines Taxis gestorben, Apryl. Offenbar hatte sie fürchterliche Angst da draußen. Das war auf einem ihrer Spaziergänge. Ein Taxifahrer hat sie gefunden. Sie war völlig aufgelöst. Sie war bis Marble Arch gekommen. So weit war sie noch nie gegangen. Für eine alte Frau ist das eine ganz schöne Strecke. Aber an diesem Tag benahm sie sich anders. Wissen Sie, normalerweise, wenn jemand sie fand, dann sprach sie mit sich selbst und fuchtelte mit dem Schirm oder dem Gehstock in der Luft herum. Das war nichts Besonderes. Das hatten wir alle schon gesehen. Sie stritt sich mit jemandem, der gar nicht da war. Nach diesen Anfällen drehte sie dann um und ging zurück nach Hause. Oder sie wurde von jemandem aufgelesen, der sie zurückbrachte. Aber an dem Morgen, als sie starb, so teilte uns der Fahrer mit, sah sie sehr krank aus. Völlig erschöpft. Sie lehnte am Geländer des Parks. Sie war ganz blass und kurz davor, zusammenzubrechen. Offenbar hatte sie ihre ganze Kraft aufgebraucht, als sie sich über irgendetwas aufregte. Also hielt er an und half ihr ins Taxi. Aber diesmal kam sie nicht aus ihrer Trance zurück wie sonst immer. Sie schien … einen regelrechten Schock zu haben. Sie wusste überhaupt nicht mehr, wo sie war oder wohin sie gehen wollte. Der Fahrer rief unsere Rezeption an und verlangte, dass wir einen Krankenwagen holten. Aber sie starb auf dem Weg hierher. Für mich sah es wie ein schwerer Herzinfarkt aus. Jedenfalls dachte ich das. Und das Seltsamste daran war … also, kurz bevor sie starb, erwachte sie aus ihrer Trance. Als das Taxi auf den Lowndes Square einbog. Der Fahrer konnte sie im Rückspiegel sehen. Sie war völlig aufgebracht. Und voller Angst, das konnte man deutlich sehen. Sie hatte vor etwas Angst. Es wirkte fast, als würde jemand direkt neben ihr sitzen.«
    Apryl blickte in ihre fast leere Teetasse. Nach einer langen, unangenehmen Pause sagte sie: »Wäre sie nicht besser in einem Pflegeheim untergebracht gewesen?«
    »Ja, wahrscheinlich schon. Aber sie hatte ja eine Pflegerin. Und wenn sie zu Hause war, ging es ihr gut. Sie war exzentrisch, aber sie kam gut zurecht. Sie war hellwach und konnte sich um alles Nötige kümmern. Für ihr Alter war sie noch erstaunlich kräftig. Nur wenn sie nach draußen ging, wenn sie das Gebäude verließ, dann … na ja, dann wurde sie etwas seltsam.«
    Womöglich litt sie an irgendeiner Krankheit: Demenz oder Alzheimer. Wenn sie und ihre Mutter nur davon gewusst hätten. »Arme Tante Lillian«, sagte Apryl.
    Stephen schien ihr gar nicht zuzuhören. Er war völlig in seine

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