Arche
Warnung ernst nahm und äußerst behutsam vorging. Allerdings ließ man sich aus diesem Grund mehr Zeit, als ihm lieb war.
Als keine Explosionsgefahr mehr bestand, wurde er nicht mehr gebraucht. Man brachte ihn in einen Warteraum. Dort
machten sich die aufregenden Ereignisse des Tages schließlich bemerkbar, und er döste auf einer Couch ein.
Irgendwann spürte er eine Hand auf seiner Schulter. Er öffnete die Augen. Ein Blick auf seine Uhr sagte ihm, dass es Freitagmorgen kurz vor zehn war. Ein schlanker Inder beugte sich über ihn. Neben ihm stand Special Agent Harris.
»Dr. Gavde hat die ersten Ergebnisse«, sagte sie. »Ich glaube, da Sie zum Ermittlungsteam des Hayden-Absturzes gehören, könnten sie interessant für Sie sein. Sie wissen, dass alles der Geheimhaltung unterliegt, aber Sie besitzen eine offizielle Genehmigung.«
»Konnten Sie den Biowaffentyp identifizieren?«, fragte Tyler beim Aufstehen. Die Agentin machte einen angespannten Eindruck. Sie schien schon einiges zu wissen.
»Ich fürchte, ja«, sagte Dr. Gavde. »Natürlich haben wir bisher nur vorläufige Untersuchungen durchführen können, aber die Ergebnisse sind beunruhigend. Das Zeug ist grauenvoll.«
»Bakterium oder Virus?«
»Weder noch. In den Zylindern sind Prionen. Wissen Sie, was das ist?«
»Vage. Sie lösen Rinderwahn aus.«
»Die Bovine Spongiforme Encephalopathie ist die bekannteste Krankheit, ja, aber es gibt noch viele andere. Man weiß nicht recht, wie Prionen eigentlich arbeiten. Es handelt sich bei ihnen um Erreger, die ganz aus Eiweiß bestehen. Alle Prionenerkrankungen verlaufen tödlich. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die Krankheit nicht von den anderen. Aber in anderer Hinsicht ist sie vollkommen verschieden von allem, was ich je erlebt habe.«
»Inwiefern?«
Dr. Gavde klang ehrfurchtsvoll. »Das Prion greift die Cadherine an, das sind Proteine, die die menschlichen Körperzellen
zusammenhalten. Tierische Cadherine greift es jedoch nicht an. Wir haben Zellen von Mäusen, Ratten und Affen getestet. Sie blieben unversehrt.«
»Was geschieht bei einem solchen Angriff?«
»Alle Körperzellen sind durch Cadherine verbunden. Wenn sie abgebaut werden, hängen die Zellen nicht länger zusammen und brechen auf. Nur das menschliche Skelett ist nicht betroffen, weil das Knochengewebe mineralisiert ist.«
Tyler musste an den Flugkapitän in Haydens Flugzeug denken. Er hatte geschrien, dass sie schmelzen würden. Aber wie die böse Hexe des Westens hatte er das falsche Wort gewählt. Er war nicht geschmolzen. Sein Fleisch hatte sich aufgelöst. Geblieben waren nur die Knochen.
»Kann man den Prozess aufhalten?«, erkundigte Tyler sich.
»Das habe ich auch gefragt«, sagte die Agentin.
Dr. Gavde schüttelte den Kopf. »Das Prion ist tödlich, und wie andere Prionen kann man es nicht behandeln. Beim Angriff auf die Cadherine bilden sich sozusagen als Nebenprodukt weitere Prione. Dadurch erhält es sich selbst am Leben.«
»Wie schnell arbeitet der Wirkstoff?«
»Interessante Frage«, sagte Dr. Gavde, der von dem Prion eindeutig fasziniert war. »Wie Sie gesehen haben, waren drei Zylinder in dem Koffer. Als wir ihn aufmachten, öffnete sich gleichzeitig ein Ventil. Der rote Zylinder gab Prionen ab, und der blaue Zylinder wurde mit einer Salzlösung aus dem weißen Zylinder gefüllt.«
»Salzwasser?«
Dr. Gavde nickte. »Anfangs konnten wir uns nicht erklären, warum. Als wir dem blauen und dem weißen Zylinder Proben entnahmen, fanden wir nur wenige aktive Prionen. Der Rest war vom Salzwasser zerstört worden. Unter dem Mikroskop sahen die Prionen aus dem blauen Zylinder genauso aus wie die
aus dem roten Zylinder. Sie waren aber nicht identisch. Als wir sie testeten, stellten wir fest, dass das eine Prion viel schneller wirkte als das andere. Eine gründliche Untersuchung der Apparatur zeigte uns, warum.«
Die haben eine Falle eingebaut, dachte Tyler.
»Ich wette, die schneller wirkenden Prionen waren im roten Zylinder«, sagte er.
Dr. Gavde sah ihn überrascht an. »Woher wissen Sie das?«
»So hätte ich es gemacht. Lässt man die Apparatur in Ruhe, läuft alles ab wie geplant, das gesamte Schiff wird infiziert. Macht sich jedoch jemand daran zu schaffen, wird er innerhalb weniger Minuten getötet.«
Dr. Gavde nickte wieder. »Das ergibt Sinn. Wer diese Prionen entwickelt hat, war sehr clever. Ich würde behaupten, bei den verlangsamten Prionen braucht es Tage, bis sich die ersten Symptome zeigen. Die
Weitere Kostenlose Bücher