Archer Jeffrey
Mark verlor die Geduld.
»Hören Sie zu, ich habe zwar auch nur einen normalen Passierschein für die Galerie, aber ich bin ein Student aus Yale und arbeite an meiner Dissertation. Können Sie mich vielleicht hineinschmuggeln?«
Der Wächter nickte verständnisvoll.
Ein paar Minuten später war Mark im Sitzungssaal. Er konnte nur einen Teil davon überblicken. Die Senatoren saßen an Tischen, die in einem Halbkreis um den der Vorsitzenden angeordnet waren. Selbst wenn jemand sprach, hörten Senatoren und Personal nicht auf herumzugehen und vermittelten dadurch den Eindruck, daß über wirklich bedeutende Dinge nicht in dramatischen Debatten, sondern in leisen Gesprächen hinter den Kulissen entschieden wurde.
Nach ausgedehnten Hearings und Diskussionen hatte der Justizausschuß vor zwei Wochen über die Vorlage Bericht erstattet. Das Repräsentantenhaus hatte bereits ein ähnliches Gesetz approbiert, das jetzt mit der verschärften Version des Senats in Einklang gebracht werden mußte, bevor es durchgehen konnte.
Senator Dexter ergriff das Wort. Mein zukünftiger Schwiegervater? fragte sich Mark. Jedenfalls sah er nicht aus wie ein Killer, aber welcher Senator sah schon so aus? Seine Tochter hatte das herrliche dunkle Haar geerbt, doch war er an den Schläfen bereits ein wenig weiß. Nicht so weiß, wie er es wohl tatsächlich war – die Eitelkeit des Politikers. Auch die dunklen Augen hatte Elizabeth von ihm. Von den Leuten rund um ihn schien er nicht viel zu halten; er trommelte mit den langen Fingern auf den Tisch, um einen Punkt zu betonen.
»In unserer Diskussion über die Vorlage wurde eine sehr wesentliche Überlegung ausgelassen, und das ist das Prinzip des Föderalismus! In den letzten fünfzig Jahren hat die Regierung viele Vollmachten, die früher von den Einzelstaaten ausgeübt wurden, an sich gerissen. Wir erwarten vom Präsidenten und vom Kongreß die Antwort auf alle unsere Probleme. Es lag nie in der Absicht der Gründerväter, der Regierung so viel Macht in die Hand zu geben; ein so großes und vielfältiges Land wie das unsere kann auf dieser Basis weder demokratisch noch effizient regiert werden. Ja, wir alle wollen die Kriminalität einschränken. Aber sie ist von Ort zu Ort verschieden. Abgesehen von Staatsverbrechen, die tatsächlich nationale Interessen berühren, überließ unsere Verfassung die Verbrechensbekämpfung dem Einzelstaat und der lokalen Rechtssprechung. Das war sehr weise. Verbrechen, die mit einer Schußwaffe begangen werden, sind eine lokale Angelegenheit. Daher sollen sie auch mit lokalen Gesetzen bekämpft und auf lokaler Ebene bestraft werden. Die Haltung der Menschen und die spezifischen Merkmale krimineller Probleme können nur auf bundesstaatlicher und lokaler Ebene verstanden und behandelt werden.
Ich weiß, manche meiner Kollegen behaupten, daß Waffen ebenso erfaßt werden sollten wie Autos und Lenker. Diese Fragen werden den Einzelstaaten überlassen. Jeder Staat soll für sich selbst entscheiden, was vernünftig und notwendig ist; nur er kann die Interessen seiner Bürger wahren.«
Senator Dexter sprach zwanzig Minuten lang, dann verneigte er sich vor dem Vorsitzenden Senator Kemp, der Senator Brooks das Wort erteilte. Nach ein paar einleite nden Bemerkungen begann Brooks mit seiner eigentlichen Rede:
»… haben wir wieder und wieder die Massaker im Nahen Osten, in Afrika, in Nordirland und in Chile verurteilt. Wir haben das Blutvergießen in Vietnam beendet. Wann aber werden wir den Verbrechen ein Ende machen, die Tag für Tag und Jahr für Jahr in unserer eigenen Gemeinschaft, auf unseren eigenen Straßen, in unseren eigenen Heimen begangen werden?« Brooks machte eine Pause und blickte Senator Harrison von South Carolina an, einen führenden Gegner des Gesetzes. »Warten wir auf eine neuerliche nationale Tragödie, um endlich zu handeln? Erst nach der Ermordung von Präsident John Kennedy wurde Senator Thomas Dodds Vorlage zur Kontrolle der Handfeuerwaffen von einem Senatsausschuß ernsthaft behandelt. Sie konnte nicht durchgesetzt werden. Nach den Aufständen in Watts im August 1965, bei denen nicht gestohlene, sondern gekaufte Waffen verwendet wurden, hielt der Senat Hearings über die Kontrolle von Handfe uerwaffen ab. Aber es wurde nichts unternommen. Es mußte erst der Mord an Martin Luther King geschehen, bevor der Justizausschuß ein Gesetz zur Kontrolle des zwischenstaatlichen Handels von Handfeuerwaffen genehmigte; dieses Gesetz sollte die Vorstufe eines
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