Archer, Jeffrey
sechsundvierzig Prozent der Anteile hatte.
»Den Rest muß er haben«, sagte Florentyna verzagt.
»Das glaube ich nicht«, erwiderte Richard.
»Warum nicht?«
»Hätte er einundfünfzig Prozent in Händen, wäre es ihm nie eingefallen, diese Geschichte mit den Anteilen für einen Pensionsfonds zu erfinden.«
»Logisch gedacht, Mr. Kane.«
»In Wahrheit glaubt er, daß wir einundfünfzig Prozent haben. Wo sind also die fehlenden fünf Prozent?«
In den letzten Junitagen mußte man Richard gewaltsam daran hindern, stündlich die Chase Manhattan Bank anzurufen, um festzustellen, ob sie noch Anteile bekommen hätten. Am 15. Juli hatte Richard neunundvierzig Prozent und wußte, daß Thomas in genau acht Tagen neue stimmberechtigte Aktien ausgeben konnte, die es ihm selbst praktisch unmöglich machen würden, die Leitung der Lesterbank zu übernehmen. Da die Baron-Gruppe cash flow benötigte, würde er sofort einen Teil seiner Lesteraktien verkaufen müssen – ohne Zweifel, wie Thomas vorausgesagt hatte, mit empfindlichen Verlusten. Mehr-mals am Tag murmelte er leise: »Zwei Prozent, nur zwei Prozent«, vor sich hin.
Eine Woche vor dem Stichtag war Richard nicht imstande, sich auf die neuen Brandschutzvorschriften für Hotels zu konzentrieren, als Mary Preston anrief.
»Ich kenne keine Mary Preston«, sagte er seiner Sekretärin.
»Sie meint, Sie würden Sie als Mary Bigelow kennen.«
Richard lächelte. Was sie wohl von ihm wollte? Seit seinem Abgang von Harvard hatte er sie nicht mehr gesehen. Er griff nach dem Hörer.
»Mary, was für eine Überraschung. Rufst du nur an, um dich wegen schlechter Bedienung in einem Baron-Hotel zu beklagen?«
»Nein, keine Klagen, obwohl wir einmal eine Nacht in einem Baron verbracht haben, wenn du dich vielleicht noch erinnern kannst?«
»Wie könnte ich so etwas vergessen«, sagte er und hatte keine Ahnung mehr.
»Nein, ich rufe an, um deinen Rat zu hören. Vor ein paar Jahren hinterließ mir mein Großonkel Alan Lloyd drei Prozent der Lester-Stammaktien. Letzte Woche erhielt ich einen Brief von Mr. Jake Thomas mit der Bitte, diese Aktien dem Aufsichtsrat zu überlassen, und keine Transaktionen mit dir zu tätigen.«
Richard hielt den Atem an. Er hörte sein Herz schlagen.
»Bist du noch da, Richard?«
»Ja, Mary. Ich hab nur nachgedacht. Nun, um ehrlich zu sein…«
»Bitte halt keine langen Reden, Richard. Warum kommst du nicht einen Sprung mit deiner Frau zu uns nach Florida. Dann kannst du mich und meinen Mann beraten.«
»Florentyna kommt bestimmt nicht vor Sonntag aus San Francisco zurück…«
»Dann komm allein. Max würde dich sehr gern kennenlernen.«
»Ich werde versuchen, ein paar Termine zu verschieben und rufe dich in einer Stunde zurück.«
Richard rief Florentyna an, die ihm riet, alles liegen und stehen zu lassen und hinzufliegen. »Montag morgen werden wir Jake Thomas ein für allemal los sein.«
Richard unterrichtete Thaddeus Cohen von der Neuigkeit; er war entzückt. »Auf meiner Liste steht das Aktienpaket immer noch unter Alan Lloyd.«
»Jetzt gehört es Mrs. Max Preston.«
»Wie sie heißt, ist mir egal, solange Sie die Aktien bekommen.«
Am Samstag nachmittag wurde Richard auf dem Flughafen von West Palm Beach von Marys Chauffeur erwartet, der ihn zu den Prestons fuhr. Als Richard Marys Haus sah, fragte er sich, wie man es, ohne zwanzig Kinder zu haben, bewohnen konnte. Das riesige Gebäude lag am Rand des Golfplatzes an einem der W aterways. Man fuhr sechs Minuten von dem von Löwen flankierten Tor bis zu der großartigen Treppe vor dem Haus. Mary empfing ihn auf der obersten der vierzig Stufen. Sie trug eine gutgeschnit-tene Reitdreß, das blonde Haar fiel auf die Schultern herab. Als Richard sie ansah, wußte er wieder, was ihm vor fast fünfzehn Jahren an ihr gefallen hatte.
Der Butler nahm Richards kleinen Koffer und führte ihn in ein Schlafzimmer, in dem man leicht eine Sitzung hätte abhalten können. Auf dem Bett lag ein Reitanzug.
Vor dem Dinner ritten Mary und Richard durch den Park; Max wurde für sieben Uhr erwartet. Richard war froh, daß Mary sich mit einem langsamen Galopp begnügte; es war lange her, seit er mit ihr geritten war, und morgen würden ihn alle Glieder schmerzen. Er nahm ein Bad und zog einen dunklen Anzug an, bevor er kurz nach sieben ins Wohnzimmer hinunter ging. Der Butler servierte Sherry. Als Mary in einem schulterfreien Abendkleid ins Zimmer schwebte, reichte ihr der Butler, ohne zu fragen, einen
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