Ardeen: Band 1: Der Kreis der Magie (German Edition)

und nahmen ihn mit. Man brachte Eryn mehrere Stockwerke tiefer in einen Raum ohne Fenster. Das einzige Licht kam von den Fackeln an der Wand. Mit einem kurzen Stück Kette wurde er dann an einem eisernen Ring festgemacht, der in die Wand eingelassen war. Danach gingen die Soldaten und die Tür fiel mit einem dumpfen Dröhnen ins Schloss. Eryn blieb alleine zurück.
    In Aleroth hatte ich noch die Hoffnung, dass die Magier mich irgendwann doch gehen lassen würden, wenn ich mich nur lange genug verweigere, aber hier jetzt glaube ich nicht mehr daran. Nun zeigen sie ihr wahres Gesicht, dachte er ernüchtert.
    Und diese Männer hier sind meine erklärten Feinde. Sie werden mich erneut zum Galgen führen.
    Nach der Schlacht und dem Verlust seiner Freunde hatte ihn der Mut der Verzweiflung beseelt, doch augenblicklich fühlte er sich nur elend und die Angst kroch in ihm hoch .
    Ein Krieger der Fenn fürchtet das Verderben nicht!, versuchte er sich selbst Mut zu machen.
    Trotzdem zuckte er merklich zusammen, als die Tür aufging. Aber es war nicht der teuer gekleidete Magier, sondern nur einer der Soldaten.
    „Wo bin ich hier?“, fragte Eryn, um sich mutig zu zeigen. Sie sollen nicht merken, welche Angst ich gerade habe. Ich bin ein Fenn und zu zittern ist eines Kriegers unwürdig.
    „Du hast keine Fragen zu stellen!“, wies ihn der Soldat grob zurecht. „Seine Hoheit, der Prinz von Ardeen schickt mich, um dich über unsere Sitten und Gebräuche aufzuklären und dir das angebrachte Benehmen beizubringen. Seine Hoheit schätzt Höflichkeit, also höre gut zu.“
    Ach nein, schon wieder eine Lehrstunde . Zumindest ließ der Soldat Eryn ansonsten in Ruhe und redete nur: „In Ardeen gibt es verschiedene Schichten in der Bevölkerung. Adelige und Hochadelige, Bürger und edle Bürger, Unfreie und Gemeine. Unfreie und Gemeine – zu dieser Gruppe darfst du dich zählen – also die fallen auf beide Knie, wenn sie mit einem Anliegen zu so hochgestellten Personen wie dem Prinzen von Ardeen kommen.“ Der Vollständigkeit halber erklärte der Soldat auch die anderen Regeln: „Bürger beugen ein Knie, die edlen Bürger und Adeligen verbeugen sich tief. Aber das ist für dich ohnehin belanglos. Du redest den Prinzen mit ‚Herr‘ an und redest überhaupt nur, wenn du gefragt wirst. Betritt der Prinz den Ort, an dem du dich befindest, unterbrichst du deine Tätigkeit – was auch immer das gerade sein mag – und stehst auf. Dann wartest du mit gesenktem Kopf, ob Seine Hoheit geruht, dich anzusprechen.“
    Das sind nichts als Demütigungen. Den Teufel werde ich tun. Und Eryn gab die Lehren der Fenn wieder: „Alle Menschen sind gleich. Niemand ist mehr wert als ein anderer.“
    Der Soldat lachte über Eryns Worte aus vollem Halse und meinte dann verwundert: „Wo kommst du denn her, dass du so einen Unsinn glaubst? Ich gebe dir einen guten Rat. Behalte solche Worte lieber für dich und verhalte dich dem Prinzen gegenüber demütig und respektvoll. Der Prinz kann sehr aufbrausend und jähzornig sein, also reize ihn nicht unnötig. Du könntest es bereuen.“ Dann ließ er Eryn wieder alleine.
    Pah, diese Verhaltensregeln machen mich wütend. Keiner ist besser als ein anderer. Keiner! Und die Wut gab ihm seinen Mut zurück.
     
    Nach geraumer Zeit öffnete sich erneut die Tür und der Prinz kam herein. Er rückte sich einen Stuhl zurecht, setzte sich und legte die Füße auf den massiven Holztisch in der Mitte des Raumes.
    „Mit vollem Bauch sieht die Welt schon viel besser aus“, erklärte er heiter, womit sich Eryn sogleich an seinen sehr leeren Bauch erinnerte. Das tut er mit Absicht. Aber ein bisschen Hunger bringt mich nicht um.
    „Und, hast du die Zeit zum Nachdenken genutzt?“, fragte der Prinz mit weicher, schmeichlerischer Stimme. Gleichzeitig lösten sich die schweren Ketten in Luft auf.
    Eryn stand auf und machte vorsichtig einen Schritt nach vorne. Das Schüreisen, das da am Tisch lehnt, ist in Reichweite. Wenn ich schnell genug bin...
    Mit einem Satz sprang Eryn nach vorne, prallte gegen eine unsichtbare Wand und ein harter Schlag in den Magen ließ ihn in gekrümmter Haltung auf die Knie fallen.
    „Hat der Soldat dich nicht über das angemessene Benehmen informiert? Anliegen sind von deinesgleichen auf Knien vorzutragen. Also sprich.“
    Ich bin ein Idiot. In dieser magischen Welt sind die Dinge nicht so, wie ich es gewohnt bin. Auch Talasin konnte ich nicht überraschen und der hier ist ebenfalls ein Magier .